Organisiertes Doping:IOC berät über Olympia-Ausschluss Russlands

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Im Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur finden sich Indizien für staatlich gelenkte Manipulationen im Sport. Er wird die Debatte um den Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Brasilien neu entfachen.

Von René Hofmann, München

In Russland gab es lange Zeit staatlich gesteuertes Doping - das ist das Ergebnis des offiziellen Untersuchungsberichts für die Welt-Anti-Doping-Agentur. Das 97-seitige Dokument, das der kanadische Jurist Richard McLaren am Montag vorstellte, belastet das russische Sportministerium schwer. Es soll die Manipulationen so gesteuert und kontrolliert haben, dass die russischen Athleten bei Dopingproben nicht erwischt wurden. Der Geheimdienst FSB und das Zentrum für Sport in Russland hätten an den Manipulationen ebenso mitgewirkt wie die Anti-Doping-Labore in Moskau und in Sotschi. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, sprach in einer ersten Reaktion von einem "erschreckenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports". Für diesen Dienstag wurde kurzfristig eine Telefonkonferenz der IOC-Exekutive anberaumt. Bei dieser soll es auch um "vorläufige Maßnahmen und Sanktionen" mit Blick auf Rio 2016 gehen - mit anderen Worten: um einen möglichen Olympia-Ausschluss Russlands.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur forderte am Montag einen solchen Schritt. Auch die nationale Anti-Doping-Agentur Deutschlands sprach sich dafür aus, Russland nicht zu den Rio-Spielen zuzulassen.

Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte nach den WADA-Vorwürfen erste Maßnahmen an. "Funktionäre, die in dem Bericht als direkt Beteiligte genannt werden, sollen bis zum Ende der Untersuchungen suspendiert werden", teilte Putin am Montag in Moskau mit.

McLarens Team hatte 57 Tage lang ermittelt. Sie befragten Zeugen, durchsuchten Festplatten, vollzogen Urin-Proben nach. Alle Ergebnisse, so McLaren, seien wissenschaftlich belastbar und speisten sich aus mehreren Quellen. Im Kern bestätigen sie die Angaben des Kronzeugen Grigorij Rodschenkow, des ehemaligen Leiters des Moskauer Anti-Doping-Zentrums. Rodschenkow, der in die USA geflüchtet ist, hatte im Mai offenbart, bei den Winterspielen 2014 in Sotschi sei der kontaminierte Urin russischer Sportler im Anti-Doping-Labor gegen sauberen Urin derselben Sportler getauscht worden.

McLaren fand Belege für diese Behauptung. An elf Dopingproben fanden sich Spuren, die darauf schließen ließen, dass die Behälter manipuliert worden waren. Die Methode für das Öffnen und spätere Wiederverschließen der Dopingproben sei vom Geheimdienst entwickelt worden, so ein weiteres Ergebnis des Reports. Jurij Nagornych, der stellvertretende Sportminister, habe in dem Programm eine Schlüsselrolle gespielt, das nach den Winterspielen 2010 initiiert worden war. Dass Sportminister Witalij Mutko von all dem nichts mitbekommen habe, sei "unvorstellbar".

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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