Oradour-sur-Glane:Erinnern, erinnern

Gegen die Leugner der Nazi-Greuel hilft nur die Kraft der Geschichte.

Von Nadia Pantel

Wenn die Orte genommen werden, die Sicherheit geben, dann wird Angst zu Ohnmacht. In genau dieses Gefühl des Terrors wollten die Nationalsozialisten die französische Zivilbevölkerung zwingen. So ermordeten sie 1944 in dem Dorf Oradour-sur-Glane 642 Menschen. Sie sperrten viele in der Kirche ein, setzten das Gebäude in Brand und töteten so einen Säugling ebenso wie eine 90-jährige Frau. Die wenigen Überlebenden berichteten später, meist schwer verletzt, wie weit weg der Krieg ihnen bis zu diesem Tag erschienen war.

Auch die Unbekannten, die am Freitag das Wort "Lügner" an die Gedenkstätte von Oradour schmierten, ziehen ihre Macht daraus, dass sie Angst verbreiten. Sie entschuldigen die Täter und verletzen die Trauernden erneut. Das Massaker hinterließ einen doppelten Schmerz: den Verlust und die Einsamkeit, weil die Mehrheit der Täter nie verurteilt wurde und dies der unbehelligten Mehrheit, gerade in Deutschland, ziemlich egal war. Der verantwortliche Generalleutnant Heinz Lammerding starb 1971, ohne sich je vor einem Gericht erklären zu müssen.

Die Schändung beweist: Es wird nicht zu viel über die Verbrechen des Nationalsozialismus gesprochen. Eher wurde viel zu lange nicht über sie gesprochen. Die Leugner gewinnen an Boden, weil das Unwissen wächst.

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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