Olmert unter Druck:"Wenn er wegläuft, kann er nicht einen Tag länger Premier bleiben"

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Die Aussicht auf Waffenruhe im Nahost-Krieg birgt für den Ministerpräsident innenpolitisch ein hohes Risiko: Der Regierungschef initiierte den Krieg, nun will die Nation einen Sieg.

In Israel werden wegen des als missglückt empfundenen Krieges im Libanon die Messer für eine Zeit nach dem Ende der Gefechte gewetzt. Die Kritik lautet, er habe sein Land vor einem Monat unüberlegt in einen Krieg geführt und die Abschreckungsfähigkeit des jüdischen Staates gegen seine Feinde beschädigt.

"Eines muss klar sein: Wenn Olmert nun vor dem von ihm initiierten Krieg wegläuft, kann er nicht einen Tag länger Ministerpräsident sein", schreibt die Zeitung Haaretz. Der Regierungschef habe keinen Fehler ausgelassen. Er sei mal zu hastig, mal zu zögerlich gewesen. "Man kann nicht eine ganze Nation mit einem Siegesversprechen in den Krieg führen, eine beschämende Niederlage produzieren und an der Macht bleiben", folgert das Blatt.

Olmert kommt in der Öffentlichkeit unter Druck, auch wenn seine politischen Bündnispartner zu ihm halten. Der Schlaganfall Ariel Scharons hatte den als farblos beschriebenen Olmert zu Jahresbeginn an die Regierungsspitze gebracht. Der 60-jährige wollte mit der Kadima-Partei das Erbe Scharons antreten. Er kündigte einen Rückzug aus dem besetzten Westjordanland und dauerhafte Staatsgrenzen bis zum Jahr 2010 an.

Der Krieg gegen die Hisbollah stand nicht auf dem politischen Programm Olmerts. Einen Sturm der Entrüstung unter jüdischen Siedlern löste er mit der Erklärung aus, der Libanon-Krieg befördere auch den geplanten israelischen Rückzug aus dem Westjordanland. Die Erklärung gilt inzwischen als eine von mehreren Ungeschicklichkeiten des Regierungschefs.

"Kein Grund zur Freude"

Ein Ende der Kämpfe würden die meisten Israelis zwar erleichtert aufnehmen, denn Militärexperten haben erklärt, dass eine Offensive bis zum Fluss Litani das Leben von bis zu 500 Soldaten kosten könnte.

Die Analyse der Folgen einer UN-Resolution in dem Konflikt führt in Israel aber zu einer gemischten Bilanz. Zwar könnte der bisher von der Hisbollah kontrollierte Süden Libanons demilitarisiert werden und eine verstärkte UN-Militärtruppe die Kontrolle des Grenzgebietes übernehmen. Aber die Hisbollah wird wohl weder zerschlagen, noch entwaffnet. Auch die von Israel geforderte umgehende und bedingungslose Freilassung der zwei verschleppten Soldaten ist nicht in Sicht.

Die Zustimmung zur Politik Olmerts ist gesunken. Nach einer von der Zeitung Jediot Achronot veröffentlichen Umfrage stehen zwar noch immer drei Viertel der Befragten hinter der Entscheidung zum Krieg gegen die Hisbollah. Aber nur noch 48 Prozent der Israelis bewerten den Verlauf der Kämpfe als gut, während 45 Prozent diesen als nicht gut charakterisieren. Dass die Hisbollah von der Nordgrenze ihres Landes verdrängt wird, glauben 37 Prozent der befragten Israelis.

Eine Waffenruhe bewahre zwar das Leben hunderter israelischer Soldaten, schreibt die Zeitung Maariv. "Aber, und es gibt hier ein großes Aber, im nationalen, historischen, israelischen und zionistischen Sinne gibt es keinen Grund zur Freude", kommentiert das Blatt.

Dass die israelische Armee ein paar tausend Hisbollah-Kämpfer nicht besiegt habe, gebe Grund zu tiefer Sorge. Ehud Olmert wisse, dass er nur schwerlich Regierungschef bleiben könne. Wenn die Hisbollah nicht entwaffnet werde und Siegesparaden abhalte, wenn der Iran weiter verdeckt Waffen an die Hisbollah liefere, könne sich Israel die Niederlage eingestehen. "Warum?", fragt das Blatt und antwortet selbst: "Weil wir nicht gewonnen haben."

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