Offener Brief:CDU-Politiker rücken von Koch ab

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Selbst in der eigenen Partei steht Roland Koch ziemlich im Abseits. Hamburgs Bürgermeister von Beust und 16 weitere führende Unionspolitiker distanzieren sich von seinem Wahlkampf und fordern einen neuen Konsens über die Integration von Ausländern.

In einem offenen Brief distanzieren sich Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und 16 weitere prominente Unionspolitiker von ausländerfeindlichen Tönen im Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten Koch. Die Einbindung von Einwanderern sei "so fundamental für die Zukunft unseres Landes, dass sie nicht zu einem schnelllebigen Wahlkampfthema degradiert werden darf", heißt es in dem in der Zeit veröffentlichten Schreiben.

Selbst in der CDU werden die Zwischentöne in Roland Kochs Wahlkampf als ausländerfeindlich wahrgenommen. (Foto: Foto: dpa)

Die 17 Unionspolitiker gehen auch auf die "abscheulichen Vorgänge in der Münchner U-Bahn" ein. Sie sehen darin allerdings keinen Anlass für eine grundsätzliche Debatte über die Gewalt jugendlicher Ausländer: "Wir wissen, dass das, was der 17-jährige Grieche und der 20-jährige Türke gegenüber dem 76-jährigen Rentner getan haben, untypisch ist für die Kultur ihrer Eltern und Großeltern." Schließlich werde Respekt vor dem Alter gerade in Zuwandererfamilien oft höher geschätzt, als bei deutschen Jugendlichen.

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören neben Ole von Beust, der sich selbst am 24. Februar in Hamburg zur Wahl stellt, Friedbert Pflüger, der CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, und Rupprecht Polenz, der den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags leitet. Auch die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Innenstaatssekretär Peter Altmaier und der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, sein Stuttgarter Kollege Wolfgang Schuster sowie die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) haben unterschrieben

Die Initiative zu dem Brief hatte Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet ergriffen. Er unterstreicht, die Union sei ein Vorreiter der Integration in Deutschland. Als Beleg führt er an, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den ersten Integrationsgipfel initiiert, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Deutsche Islamkonferenz einberufen hat - und auch der Nationale Integrationsplan von 2007 auf die CDU zurückgehe.

CDU-Politiker sprechen von "Kampfrhetorik"

In der Vergangenheit habe nicht nur die Union, sondern hätten alle politischen Parteien sich in einer Kampfrhetorik überboten, die der Integrationspolitik nicht dienlich gewesen sei. "Dabei musste die Union erkennen, dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland ist", schrieben die Unionspolitiker.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte die Gewalttätigkeit junger Ausländer zum Thema seines Landtagswahlkampfes gemacht. Er büßte bei der Wahl am vergangenen Sonntag zwölf Prozentpunkte ein.

Mit ihrem Brief reagieren die Politiker auf einen offenen Brief von 21 Deutsch-Türken, die in der Zeit mehr Sachlichkeit in der Debatte um Jugendgewalt gefordert und Koch scharf kritisiert hatten.

Bildung als Prävention

Im offenen Brief der Deutsch-Türken heißt es, die beste Prävention gegen Jugendgewalt seien Bildung, individuelle Förderung und die Eingliederung der Eltern. Dieser These geben die 17 Unterzeichner des offenen Briefs im Prinzip Recht.

Auch die Mehrheit der Hessen will einer Umfrage zufolge den Abschied von Roland Koch. Wie eine Forsa-Erhebung im Auftrag des Senders n-tv ergab, finden 60 Prozent der Hessen, Koch solle sein Amt als Ministerpräsident abgeben. Lediglich 32 Prozent sind demnach der Ansicht, Koch solle im Amt bleiben. Auf Bundesebene befürworten 50 Prozent einen Rückzug des CDU-Politikers. Rund ein Drittel der Bundesbürger (35 Prozent) sind für eine Amtsfortführung.

© sueddeutsche.de/dpa/rtr/AP/Die Zeit/maru/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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