Offener Brief aus der Union:Couragierte Angsthasen

Der offene Brief führender Unionspolitiker zur Integrationspolitik ist eine Ohrfeige für Roland Koch. Dessen moralische Berechtigung schwindet weiter. Doch das couragierte Bekenntnis ist auch ein Armutszeugnis.

Stefan Braun

Wahrscheinlich wollten sie noch fair sein, anständig mit einem ziemlich Unanständigen. Denn die siebzehn Unionspolitiker, die jetzt einen Offenen Brief geschrieben haben, warteten exakt die Woche nach den Landtagswahlen ab, um mit Roland Kochs Kampagne zur Jugendgewalt abzurechnen. Sicher, sie haben es fein ziseliert getan.

Ole von Beust, von seinen Wahlhelfern nur Ole genannt, will als präsidial amtierender Bürgermeister glänzen. (Foto: Foto: dpa)

Sie haben weder seinen Namen noch seine Kampagne direkt genannt. Ihre Botschaft ist trotzdem unmissverständlich: Mit dem, was Koch versuchte, wollen sie nichts zu tun haben.

Sie - das sind siebzehn ziemlich prominente Unionspolitiker, darunter Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Norbert Laschet, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens und der Hamburger Wahlkämpfer Ole von Beust. Dass Letzterer dabei ist, lässt besonders aufhorchen.

Er spürt offenbar am stärksten, wie gefährlich die Polarisierung der letzten Wochen geworden ist - für ihn als präsidial amtierenden Bürgermeister, aber auch für eine schwarz-grüne Koalition, die ihm nach der Wahl noch am ehesten die Macht retten könnte.

Der Brief ist eine Ohrfeige. Er trifft Koch in schwieriger Lage. Immerhin kämpft der Hesse darum, irgendwie im Amt zu bleiben. Mit dem Schreiben schwindet seine moralische Berechtigung jetzt weiter. Doch das couragierte Bekenntnis ist auch ein Armutszeugnis.

Denn im Umkehrschluss zeigt der Schritt nicht nur, dass es ziemlich viele in der Unionsführung gab, die Kochs Kurs für falsch hielten. Ihre Zahl ist übrigens weitaus größer als die Zahl der Briefeschreiber. Es zeigt auch, dass niemand in der Lage war, Roland Koch vor sich selbst zu schützen. Parteien als Loyalitätsapparate - das kann direkt ins Debakel führen.

© SZ vom 31.1.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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