Obama-Plakat:Wahlhelfer mit Guerilla-Prinzipien

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So cool wie Che Guevara: Der Graffiti-Künstler Shepard Fairey hat Barack Obama zur Pop-Ikone stilisiert - und ist dadurch selbst zum Star geworden.

Jonathan Fischer

Sogar die deutsche Bravo konnte dem Sog nicht widerstehen. Erkannte in dem Holzschnitt-artigen Wahlkampfplakat berechtigte Konkurrenz zu Eminem, Rihanna und Tokio Hotel.

"Skate-Punk mit Sekretärin": Shepard Fairey vor seinem berühmten Obama-Porträt. (Foto: Foto: AP)

Zum ersten Mal in ihrer 52-jährigen Geschichte jedenfalls widmete die Jugendzeitschrift kürzlich ein Poster einem Politiker: Barack Obama. "Der Mann ist Kult", sagte Bravo-Chefredakteur Tom Junkersdorf, "und das ist ein Kultposter. Das wird in vielen Jugendzimmern und auch Schulen hängen."

Eine durchaus glaubwürdige Prophezeiung. Denn das blau-rote Porträt Obamas im Stil von Andy Warhol strebt derzeit mit aller Macht in die erste Liga der weltweiten Pop-Ikonographie - dorthin, wo sich schon seit Jahrzehnten irgendwie rebellische Gestalten wie der Barett-bewehrte Che Guevara, Einstein mit roter Zunge und ein kiffender Bob Marley tummeln.

Und nun auch noch der US-Präsident als Posterboy? Dabei verdankt sich das werbewirksame Agitprop-Motiv nicht einmal dem offiziellen Wahlkampf Obamas. Vielmehr entstammt es der Eigeninitiative eines Graffitikünstlers, der immer wieder die Gesetze im Namen der Kunst gebrochen hat und wegen illegaler Sprühereien schon öfter festgenommen wurde: Shepard Fairey.

Einen "Skate-Punk mit Sekretärin" hat die Washington Post den Mann nicht ohne Bewunderung genannt. Immerhin gehört Fairey inzwischen zu den einflussreichsten Streetart-Künstlern überhaupt: Seine Sticker und Wandpapiere säumen die Straßen fast jeder amerikanischen Stadt.

Obamas visuelle Kampagne wäre ohne sein Engagement nur halb so wirksam gewesen - wobei ein Schlüsselelement die meist illegalen Verbreitungstaktiken Faireys waren, der seine Poster auch ohne Erlaubnis auf öffentliches und privates Eigentum klebte und so seinen Guerilla-Prinzipien treu blieb.

Angefangen hatte alles 1989, als Fairey noch an der New Yorker Rhode Island School Of Design studierte. Er klebte Sticker mit dem Gesicht von Andre The Giant, einem französischen Profi-Ringer, auf jede nur denkbare Oberfläche und brachte damit eine der größten Kunstkampagnen im öffentlichen Raum ins Rollen.

"Obey", also "gehorche", stand in großen Lettern unter dem düsteren Ringer-Antlitz. Doch wer sollte gehorchen? Und wem? Faireys Aktionen beruhten von Anfang an auf einer massenwirksamen Psychologie.

Zwar besaßen die Sticker selbst keine tiefere Bedeutung: Aber sie sollten die Betrachter zum Nachdenken, zu einer Reaktion herausfordern: "Die Giant-Sticker-Kampagne", erklärte Fairey damals in einem Manifest mit ausdrücklichem Bezug auf den Philosophen Martin Heidegger, "kann als Experiment in Phänomenologie gelten." Diese wolle den Menschen etwas erkennen lassen, das ihm dicht vor Augen steht und trotzdem verborgen ist.

Ein Poster für die coolen Typen

Nach zwei Jahrzehnten ist Fairey nun selbst zum Star geworden: Die Obama-Kampagne hat den jungenhaften 38-Jährigen endgültig aus der Anonymität herausgeholt. Zeitschriften und Internet-Magazine interviewen ihn zu seinen politischen Ansichten, Anwärter auf ähnliche Promotion-Coups stehen Schlange.

Doch die Dienste des erklärten Skateboard-Junkies Fairey sind nicht für Geld allein zu haben: "Hummer (eine protzige Jeepmarke) hat mir viel Arbeit angeboten, ebenso die Zigarettenmarke Camel. Ich habe beides abgelehnt, weil ich mit ihren Produkten ein ethisches Problem habe. Andererseits bin ich auch kein Anti-Kapitalist."

So kann man Faireys Design auf den Werbeplakaten für den Johnny-Cash-Film "Walk The Line" bewundern oder in Anzeigen für Pepsi und Adidas. Wenn Fairey für kommerzielle Auftraggeber arbeitet, dann, um eigene Ideen zu finanzieren: Etwa seine wirtschaftlich kaum rentable Galerie, sein ebenso defizitäres Street-Art-Magazin Swindle, oder eben die Obama-Kampagne.

Dieser war nicht der erste Politiker, den Fairey Pop-tauglich aufrüstete. 2000 entwarf er ein Poster für den Kandidaten der US-Grünen, Ralph Nader. 2004 folgte George Bush als grinsender Vampir. Doch niemals, sagt Fairey, sei so viel auf dem Spiel gestanden wie bei seinem ehrenamtlichen Einsatz für Obama.

Kein Problem mit Mao

Er habe ungewöhnlich vorsichtig agiert: Einerseits nahm er sich vor, ein Poster zu entwerfen, "das auch die coolen Typen besitzen wollen". Andererseits sollte der schwarze Präsidentschaftskandidat den Mainstream nicht mit einem allzu radikalen Image vergrätzen. Schließlich wählte er eine Fotovorlage, die den Mann "als furchtlosen Visionär" zeigt. Unterschrift: Hope, Progress oder Change.

Beim Nominierungsparteitag der Demokraten ließ er sich von Beratern Obamas das Placet für sein Poster geben. Überraschenderweise hatten die mit dem von sowjetischen Vorbildern geprägten Stil (Fairey hatte zuvor schon Mao und Lenin in ähnlicher Weise porträtiert) kein Problem.

"Ob man sie in einer Galerie oder auf einem Stopp-Schild sieht", schrieb Obama seinem die Straßen zupflasternden Helfer, "Ihre Kunst ermutigt die Amerikaner daran zu glauben, dass sie etwas verändern können." Für Fairey seine bisher größte offizielle Auszeichnung.

In irgendeine Amtlichkeit will er sich zwar auch unter der neuen Regierung nicht einbinden lassen, doch seine Mission bleibt bestehen: "Wenn du es schaffst, den Lernprozess auch nur einer Handvoll Betrachter zu beschleunigen - dann hat sich die ganze Mühe gelohnt."

© SZ vom 01.12.2008/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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