Numerus clausus:Blick in die Glaskugel

Die Abiturnote sollte nur eines von mehreren Zulassungs­kriterien sein.

Von Paul Munzinger

Nur wenige kommen rein, die Mehrheit muss draußen bleiben, aktuell sind es fünf von sechs Bewerbern: Das Medizinstudium ist wie ein exklusiver Club. Die Türsteher, in diesem Fall sind das die Hochschulen, sollten sich ihre Entscheidung deshalb so schwer wie möglich machen. Viele tun das nicht. Viele verlassen sich allein auf das bequemste und billigste Zugangskriterium: die Abiturnote. Das Bundesverfassungsgericht hat das zu Recht beanstandet und den Hochschulen mehr Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Studenten auferlegt.

Nichts und niemand vermag mit Sicherheit vorherzusagen, ob aus einem jungen Menschen einmal ein guter Arzt werden wird. Doch solange es mehr Bewerber als Plätze gibt, bleibt Ländern und Hochschulen nichts anderes übrig, als den Blick in die Glaskugel zu wagen: Bei wem ist es wahrscheinlicher als bei anderen, dass er den Anforderungen des Studiums gewachsen ist? Wer lässt erwarten, einfühlsam und kompetent mit Patienten umzugehen? Wem wollen wir irgendwann unsere Gesundheit anvertrauen?

Eine verantwortungsvolle Prognose darf sich nicht nur eines Instruments bedienen. Sie sollte Motivation, Erfahrung und zwischenmenschliche Fähigkeiten einbeziehen - und die Note. Bei aller berechtigten Kritik an der Aussagekraft einer nackten Zahl ist sie das wichtigste Kriterium. Ein gerechtes aber ist sie nur, wenn sie nicht das einzige bleibt.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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