Nukleare Rüstung:Mal bluffen, mal verstecken

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Gesicherte Informationen gibt es kaum: Nordkorea profitiert davon, dass es die Welt über sein Atomprogramm im Unklaren lässt.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea bereite die Inbetriebnahme eines neuen Atomreaktors vor, schrieb Jane's Intelligence Review kürzlich. Damit schüttete das Blatt für Sicherheitspolitik kaltes Wasser auf Kim Jong-uns Friedensavancen. Es stützte sich auf Satellitenbilder vom Februar, auf denen Dampf zu sehen ist, der aus einem neuen Reaktorgebäude im Atomzentrum Yongbyon aufsteigt.

Der neue Leichtwasserreaktor ist, wie auf den Bildern zu erkennen ist, ans Stromnetz angeschlossen. Er dürfte 25 bis 30 Megawatt Elektrizität erzeugen. Das genügt für eine Kleinstadt. Nordkorea braucht Energie, in seiner Provinz gibt es nur wenige Stunden Strom pro Tag. Allerdings fällt bei dieser Stromproduktion auch Plutonium an, das sich zur Waffenfähigkeit anreichern lässt. Das dürfte den geplanten Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump komplizierter machen.

Das Nordkorea-Institut der Johns Hopkins-Universität in Baltimore bestätigt den Dampf aus dem Reaktor, doch der sei schon öfter beobachtet worden, so seine Website 38North.org. Wenn der Reaktor wirklich in Betrieb wäre, müsste man auch den Kühlwasserabfluss sehen. Pjöngjang selbst hat seine Inbetriebnahme seit September 2015 mehrmals gemeldet, die Satellitenbilder zeigten jedoch stets, dass er nicht oder nur mit geringer Leistung lief.

Nordkorea hat, seit es 1956 mit sowjetischer Hilfe ein Atomprogramm startete, stets Katz und Maus mit den USA gespielt, wechselte zwischen Bluff und Verstecken. Einmal hat es seine Kapazitäten übertrieben, dann verborgen. Yongbyon wurde bereits 1962 eröffnet, zu Beginn nur für den Waffenbau. Im Koreakrieg wollte US-General Douglas MacArthur Atombomben gegen Nordkorea einsetzen, von 1958 an stationierten die USA bis zu 950 Atomsprengköpfe in Südkorea (die sie 1991 abzogen). Das reichte Pjöngjang zur Rechtfertigung ihrer atomaren Bemühungen aus.

Nordkorea gehört zu den Ländern, die 1963 dem Atomsperrvertrag nicht beitraten. 1985 holte es das nach, ließ in Yongbyon aber weiterarbeiten. Nach dem Kollaps der Sowjetunion 1991 erst recht, da Moskaus Sicherheitsgarantien weggefallen waren. Als die Internationale Atombehörde (IAEA) das belegen konnte, drohte Pjöngjang, den Atomsperrvertrag zu kündigen - worauf US-Präsident Bill Clinton seinerseits mit einem Militärschlag gegen Yongbyon drohte. In der Folge handelten Washington und Pjöngjang das Genfer Rahmenabkommen aus. Nordkorea blieb (bis 2003) im Atomsperrvertrag, schaltete jedoch seine Graphitreaktoren ab und ließ IAEA-Kontrolleure ins Land. Die USA lieferten dem Norden dafür 500 000 Tonnen Schweröl und versprachen, ihm zwei Leichtwasserreaktoren für die Stromversorgung zu bauen. Doch dafür verweigerte der US-Kongress die Finanzierung, Nordkorea arbeitete derweil heimlich an der Uran-Aufarbeitung weiter. So haben beide Seiten das Abkommen nur teilweise eingehalten, dennoch galt es als Erfolg.

Präsident George W. Bush ließ es 2002 trotzdem platzen. Seither arbeitete Nordkorea auf Hochtouren an der Bombe. Die Sechsparteien-Gespräche in Peking mit Süd- und Nordkorea, den USA, China, Japan und Russland vermochten es nur verübergehend zu bremsen. 2006 führte Pjöngjang seinen ersten Atomtest durch. Bis dahin hatte das Regime das Waffenprogramm auch als Verhandlungspfand gesehen. Doch während der Amtszeit Barack Obamas, der Nordkorea mit "strategischer Geduld" ignorierte, zündete Kim Jong-un vier weitere Bomben - zuletzt im September 2016 - und ließ die Atomwaffen in der Verfassung Nordkoreas verankern.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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