NSU:Computer unterm Bett

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Am zweiten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft präzisieren die Ankläger ihre Darstellung von Beate Zschäpe. Sie soll nicht nur Leben und Weltbild mit Böhnhardt und Mundlos geteilt, sondern auch das NSU-Hauptquartier gesichert haben.

Von Wiebke Ramm, Berlin

Sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Dies ist die Quintessenz dessen, was Oberstaatsanwältin Anette Greger am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München vorträgt, am zweiten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess. Nichts, gar nichts deutet ihrer Überzeugung nach darauf hin, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihr rassistisches Morden vor der Hauptangeklagten Beate Zschäpe zu verbergen versuchten. Nach Auffassung der Ankläger gab es dafür auch keinen Grund. Denn ihrer Ansicht nach teilte Zschäpe mit Mundlos und Böhnhardt nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr rassistisches Weltbild.

Für die Bundesanwaltschaft hat sich in mehr als vier Jahren Beweisaufnahme Puzzlestück für Puzzlestück ein Gesamtbild zusammengefügt. Das Bild zeigt Zschäpe als eine Rechtsterroristin, die sich schon früh für den bewaffneten Kampf aussprach und gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt das Ziel verfolgte, Bürger migrantischer Herkunft durch Morde und Anschläge aus Deutschland zu vertreiben.

"Böhnhardt und Mundlos bildeten kein psychopathisches Duo, das neben der Angeklagten Zschäpe her lebte und hin und wieder mordete", trägt Greger im Saal vor. Vielmehr habe Zschäpe zusammen mit den Männern ein Trio gebildet, das fast 14 Jahre lang das Land terrorisierte. Zehn Menschen starben, Dutzende wurden bei Sprengstoffanschlägen und Raubüberfällen schwer verletzt, viele schwer.

Stundenlang trägt Oberstaatsanwältin Greger Indizien für Zschäpes Schuld vor. Die 51-jährige Zschäpe-Expertin der Bundesanwaltschaft glaubt der Hauptangeklagten offenkundig kaum ein Wort ihrer Einlassung. Für die Vertreter des Generalbundesanwalts ist Zschäpe Mittäterin bei allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), nicht aber Opfer von Böhnhardt und Mundlos.

Die beiden Männer krümmten den Finger am Abzug der Waffen, ließen die Bomben detonieren. Und Zschäpe? "Zschäpe trat als harmlose Hausfrau auf", sagt die Oberstaatsanwältin. Doch eine harmlose Hausfrau sei die Angeklagte tatsächlich nie gewesen. Zschäpe sei gleichberechtigtes Mitglied der Terrorzelle gewesen. "Jedem der drei kamen bestimmte Aufgaben im Dienst der Sache zu. Und alle drei arbeiteten einvernehmlich Hand in Hand zusammen", sagt Greger.

Das "Herzstück der Gruppe" sei die jeweilige Wohnung gewesen. Zuletzt lebten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in der Frühlingstraße in Zwickau. In Zschäpes Zimmer stand, so Greger, der "Hauptcomputer" des Trios. Unter Zschäpes Hochbett hatten die mutmaßlichen Terroristen in Gregers Darstellung ihren Arbeitsplatz eingerichtet.

Spekulationen statt Tatsachen? So sieht es die Verteidigung

Zschäpe sicherte laut Bundesanwaltschaft auch das Versteck des NSU. "Ihrem Umfeld spielte sie die Chimäre des ganz normalen Lebens vor", formuliert es Greger. Sie habe gegenüber Nachbarn und Bekannten Geschichten erfunden, warum die Männer immer mal für längere Zeit verschwanden. Während Böhnhardt und Mundlos auf Raubzug waren, habe sie die Wohnung "gesichert", in der Waffen, Sprengstoff, Handys, Teile der Beute aus den Raubüberfällen und auch Anschlagspläne lagerten.

Die Empörung unter Zschäpes Verteidigern ist offensichtlich. Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert fixiert die Oberstaatsanwältin mit finsterem Blick, schüttelt immer wieder den Kopf, macht sich Notizen. Außerhalb des Gerichtssaals deutet er an, dass er sich in seinem eigenem Plädoyer ursprünglich recht kurz halten wollte. Der seiner Ansicht nach konstruierten Geschichte Anette Gregers über die Rolle seiner Mandantin innerhalb des Trios werde er nun wohl aber doch längere Ausführungen entgegensetzen müssen. Die Verteidigung wirft der Bundesanwaltschaft vor, Entlastendes weitgehend außen vor zu lassen und bloße Spekulationen als Tatsachen auszugeben.

An diesem Donnerstag soll das Plädoyer der Bundesanwaltschaft fortgesetzt werden.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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