Nothilfe:Mehr Hände

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Die Bundeswehr hält in der Flüchtlingshilfe 4000 Soldaten in Bereitschaft - mehr als derzeit im Ausland eingesetzt sind.

Das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee wird in Krisenzeiten regelmäßig ungewöhnlich innig. Wenn Hochwasser herrscht und in den Nachrichten täglich Sandsäcke stapelnde Soldaten zu sehen sind, dann nimmt das zumindest kurzzeitig auch diejenigen für die Bundeswehr ein, die der Truppe sonst eher distanziert gegenüberstehen. Doch wie verhält es sich eigentlich in der derzeitigen Flüchtlingskrise? Was leistet die Bundeswehr hier?

Eine ganze Menge - so sieht es jedenfalls der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels. "Die immer einmal wieder geäußerte Annahme, die Bundeswehr tue zu wenig, ist absolut falsch", sagt er. "Die Bundeswehr hat sehr viel angeboten, von Personal bis hin zu Unterkünften in gut 50 Kasernen, in denen die Soldaten enger zusammenrücken müssen." Wenn es Probleme gebe, liege das nicht an der Truppe. "Die Arbeitskraft der Soldaten wird durch die zivilen Stellen, die um Hilfe bitten, nicht immer effektiv eingesetzt." Und Generalmajor Klaus von Heimendahl, Leiter des Koordinierungsstabes Flüchtlinge im Verteidigungsministerium, verkündet: "Die Bundeswehr steht rund um die Uhr bereit, um in der Flüchtlingskrise zu helfen." Man sei da, "wo auch immer Hilfe benötigt wird".

Aber stimmt das auch? Wie sieht es mit den Zahlen aus? Nach Angaben des Ministeriums stehen bundesweit 4000 Soldaten als sogenannte "Helfende Hände" bereit - was bedeutet, dass sie unter anderem Betten, Zelte und Container aufbauen, Verpflegung ausgeben oder auch direkt Flüchtlinge betreuen können. Von diesen 4000 Soldaten in Bereitschaft wurden bisher bis zu etwa 1900 am Tag tatsächlich eingesetzt, ergänzt durch 164 Sanitäter. Der Rest wurde nicht abgerufen. Die Zahlen schwanken täglich, je nach Anforderungen der Länder. Die Bundeswehr hilft außerdem mit bis zu 80 Bussen beim Personentransport.

In Bayern sind laut Ministerium derzeit etwa 400 Soldaten als "Helfende Hände" eingesetzt, wobei zuletzt beispielsweise in Freilassing 30 Soldaten Bekleidung und Verpflegung ausgegeben haben, während in Passau lediglich zwei Ärzte und vier Sanitäter eingesetzt waren. Der dortige Landrat wünscht sich deutlich mehr. Zwei Schwerpunkte der Bundeswehr-Hilfe sind bereits die Wartezentren in Feldkirchen und Erding. Das Zentrum in Feldkirchen ist seit September arbeitsbereit, das Zentrum in Erding beherbergt zwar schon Flüchtlinge, ist aber derzeit noch im Aufbau. Laut Ministerium sollen künftig beide Einrichtungen komplett von der Bundeswehr betrieben werden. In Erding sollen einmal 5000 Flüchtlinge unterkommen.

In Doberlug-Kirchhain in Brandenburg und an vielen anderen Orten in Deutschland haben Soldaten Zeltstädte für Flüchtlinge aufgebaut. (Foto: Bernd Settnik/dpa)

Hinzu kommen jene Soldaten und zivilen Mitarbeiter, die beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingesetzt sind - laut Ministerium sind das derzeit gut 570. Die zivilen Mitarbeiter können, "soweit die fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, grundsätzlich für alle Tätigkeiten des Bamf verwendet werden", formuliert das Ministerium. Die Soldaten allerdings unterliegen verfassungsrechtlichen Beschränkungen. Sie dürfen keine Tätigkeit übernehmen, "die über schlicht-hoheitliches Handeln hinausgeht", was "insbesondere die Vornahme von Verwaltungsakten gegenüber dem Bürger" betreffe. Das bedeutet, dass selbst die Offiziere der Bundeswehr keine Entscheidungen in Asylverfahren treffen dürfen.

Legt man die Zahl der Soldaten in Bereitschaft zugrunde, sind deutlich mehr Soldaten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise eingesetzt als jene knapp 3000, die sich derzeit im Auslandseinsatz befinden. Dafür gibt es Lob auch von der Opposition. "Es ist beeindruckend, was die Bundeswehr derzeit leistet", sagt die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. "Die Bundesregierung sollte diese Arbeit nicht durch unsinnige Vorschläge wie den Einsatz von Transall-Maschinen zur Abschiebung in Misskredit bringen."

Und schließlich sind da noch die Kasernen. An 72 Standorten, also in Kasernen oder auf Übungsplätzen, hat die Bundeswehr Platz für 29 000 Flüchtlinge geschaffen. In 52 Kasernen sind gleichzeitig noch Soldaten untergebracht. "Weitere Liegenschaften befinden sich in der Prüfung", heißt es dazu. Aber könnte die Truppe nicht trotzdem mehr tun? Dazu noch einmal der Wehrbeauftragte Bartels: "Die Kapazitäten sind endlich." Schließlich gebe es neben den Einsätzen auch noch die Nato-Verpflichtungen. "Die Soldaten sind derzeit ohnehin schon die Personalreserve des Bundes."

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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