Nicolas Sarkozy:Unter den Röcken der Republik

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Der französische Geheimdienst erforschte das Liebesleben von Nicolas Sarkozy. Nun klagt der Präsident wegen übler Nachrede.

Gerd Kröncke, Paris

Sie haben sich nie gut verstanden, der Geheimdienstchef und sein Minister. Yves Bertrand war Direktor der französischen Inlandsaufklärung, den Renseignements généraux (RG), und Nicolas Sarkozy war als Innenminister sein Vorgesetzter. "Ich weiß, dass Sie gegen mich konspirieren", musste sich der Geheimdienstmann einmal von Sarkozy sagen lassen.

Nicolas Sarkozy mit Carla Bruni, seiner dritten Frau. Sein Liebesleben wurde vom französischen Geheimdienst ausspioniert. (Foto: Foto: Reuters)

Das war im Jahr 2004, heute fühlt Sarkozy sich bestätigt. Inzwischen ist der eine Präsident geworden, und der andere verzehrt seine Pension. Doch ihre gegenseitige Abneigung haben sie sich bewahrt. Jetzt hat der Präsident den vormaligen RG-Chef wegen übler Nachrede angezeigt, weil er pikante Details über Sarkozys Liebesleben gesammelt hatte. Sarkozy ruft schnell die Gerichte an, wenn sein Privatleben involviert ist.

"Sarko" kommt in den Ringbüchern oft vor

Es entspricht gewiss der Jobbeschreibung eines Geheimdienstbosses, mehr wissen zu müssen als seine politischen Chefs. Doch hatte Bertrand die fatale Neigung, seine Erkenntnisse - teils Tratsch, teils sensible Fakten - schriftlich festzuhalten. In kleinen Ringbüchern notierte er etwa, dass sich Jacques Chirac 2003 in Kanada einer Gesichtsstraffung unterzogen habe. Nachfolger "Sarko", wie Bertrand den heutigen Präsidenten nennt, kommt ziemlich oft vor.

Nicolas Sarkozy schlafe mit der Frau eines Abgeordneten, notierte der Schnüffler auf einem "weißen Blatt". Die Dienste pflegten sensible Angaben auf neutrales Papier zu schreiben, und es ist eine Nebenpointe der Affäre, dass Sarkozy als Innenminister die Praxis der weißen Zettel verboten hat.

Das Eheleben Sarkozys wird in den Notizen des Monsieur Bertrand eingehend analysiert. Zwei Seiten widmet er Sarkos Trennung von seiner ersten Frau. Es kommt auch ein abgehörtes Telefongespräch vor, in dem die erste Madame Sarkozy über ihre Nachfolgerin Cécilia und deren Beziehung zu ihrem Nicolas berichtet. Später notiert Bertrand, Cécilia sei eine passionierte "Partygängerin".

Der Geheimdienstchef wusste, wer heimlich Jungs liebte

Bertrand wirft einen "Blick unter die Röcke der Republik", konstatiert das Magazin Le Point, das als Erstes aus den geheimen Notizen zitierte. Da kommen wenig galante Betrachtungen vor: Ein früherer Minister hatte seine Rechnung in einem Luxushotel nicht bezahlt. Ein anderer hatte eine "polnische Geliebte". Bertrand wusste, wer eine heimliche Vorliebe für Jungen pflegte oder sexuelle Präferenzen wechselte.

Der Ex-Chef, der sich offenbar in der Tradition von Joseph Fouché sah, erfreute sich höchster Protektion, solange Jacques Chirac im Elysée residierte. Wie Napoleons Polizeiminister unterhielt Bertrand ein Netz von Spitzeln, immer in Erwartung des jüngsten Gerüchts. Als Sarkozy Präsident wurde, musste Bertrand gehen. Die Renseignements généraux sind aufgelöst, mehrere Dienste wurden zusammengelegt.

Die brisanten Papiere von Yves Bertrand wurden im Zusammenhang mit der Clearstream-Affäre beschlagnahmt, jener Schmutzkampagne, in die auch Ex-Premier und Sarkozy-Gegner Dominique de Villepin verwickelt ist. Mit gezinkten Bankunterlagen sollten Sarkozy und andere in den Verdacht der Korruption gezerrt werden. Damit will Bertrand nichts zu tun gehabt haben. Sarkozy hat immer geargwöhnt, dass Chirac und Villepin ein "Küchenkabinett" unterhielten, um ihn zu Fall zu bringen. Wenn das so war, könnte Bertrand ein wichtiger Zuträger gewesen sein.

© SZ vom 18.10.2008/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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