Neuwahlen:Vertrauensfrage ja - Sachfrage nein

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Als Reaktion auf die Angriffe führender Sozialdemokraten gegen Bundespräsident Horst Köhler hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag erläutert, welchen Weg er zur Auflösung des Bundestags und zu den angestrebten Neuwahlen am 18. September gehen will.

Von Peter Blechschmidt

Er werde die Vertrauensfrage im Bundestag nicht mit einer Sachfrage oder einem Gesetzesbeschluss verbinden, sagte Schröder in Berlin.

Er kam, sprach und ging sofort wieder: Kanzler Gerhard Schröder. (Foto: Foto: Reuters)

Zugleich forderte er seine Partei mit Nachdruck auf, die Attacken auf Köhler einzustellen. Schröder machte auch klar, dass er nicht zurücktreten, sondern seine Reformpolitik fortsetzen wolle.

Schröder hatte ursprünglich geplant, erst unmittelbar vor der Vertrauensfrage am 1. Juli Bundestag und Öffentlichkeit über seine Vorgehensweise aufzuklären.

Angesichts der heftigen Angriffe auf Köhler aus der SPD in den letzten beiden Tagen änderte der Kanzler nun offenbar seine Absichten, nachdem erste Ordnungsrufe von ihm und Parteichef Franz Müntefering an die Köhler-Kritiker unbeachtet geblieben waren.

Zahlreiche SPD-Politiker, unter ihnen die drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Müller, Ludwig Stiegler und Gernot Erler, hatten Köhler Parteilichkeit vorgeworfen und ihn verdächtigt, Einzelheiten aus einem Gespräch zwischen ihm und Schröder am 23. Mai an die Öffentlichkeit lanciert zu haben.

Reformen fortsetzen

Am Donnerstagvormittag suchte Schröder den Bundespräsidenten erneut auf. Dabei habe er Köhler, so erklärte Schröder am Mittag im Kanzleramt, darüber informiert, dass er am 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage stellen werde. Diese werde nicht mit einer Sachfrage oder einem Gesetzesbeschluss verbunden sein. Wird einem Bundeskanzler das Vertrauen nicht ausgesprochen, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausschreiben.

Die Gründe dafür, dass er sich nicht mehr vom Vertrauen der Mehrheit des Bundestages getragen sehe, werde er im Parlament darlegen, kündigte Schröder an. Als der Kanzler am Abend des 22. Mai seine Absicht verkündete, Neuwahlen herbeizuführen, begründete er dies damit, dass nach der Wahlniederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen "die politische Grundlage für die Fortsetzung unserer Arbeit in Frage gestellt" sei.

Am Donnerstag versicherte Schröder, er habe volles Vertrauen in die Überparteilichkeit des Bundespräsidenten. "Das gilt auch für die Wahrung der Vertraulichkeit unserer Gespräche." Er erwarte deshalb von führenden Mitgliedern seiner Partei, die öffentlich andere Ansichten geäußert hätten, "dies unverzüglich einzustellen".

Eine Frage der Autorität

Ferner bekräftigte Schröder, dass er seine Reformpolitik für richtig halte und an ihr festhalten wolle. "Ich werde mit ganzer Kraft dafür kämpfen, diesen Weg zum Wohl der Menschen in unserem Land fortzusetzen."

Der Erklärung Schröders waren zwei Tage voller Spekulationen vorausgegangen über den Weg zu Neuwahlen, über einen möglichen Rücktritt Schröders oder auch über Versuche der Parteilinken, mit ihren Angriffen auf Köhler die Auflösung des Bundestags zu verhindern. Vor allem die Autorität des Parteivorsitzenden hat dabei gelitten. Ein sichtlich angeschlagener Franz Müntefering sagte am Mittwochabend in der ARD auf die Frage, warum er die Angriffe aus seiner Partei auf Köhler nicht verhindert habe:

"Das ist auch eine Frage der Autorität. Das bestreite ich gar nicht." In diesen Zeiten nach der Neuwahl-Ankündigung sitze er "nicht oben drüber", sondern "mitten im Getümmel". Der ehemalige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte dazu am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung, er "gehe davon aus, dass die Autorität des Parteivorsitzenden, die ja auf Vertrauen und Respekt der Mitglieder beruht, da ist" und dass sie ausreiche, dafür zu sorgen, dass sich jetzt alle in der Partei auf die Auseinandersetzung im Wahlkampf konzentrierten.

Erschreckende Unordnung

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erklärte in Berlin, der Entschluss, Neuwahlen anzustreben, sei "eine Entscheidung des Bundeskanzlers als Institution und als Person. Sie verdient Respekt." Zugleich forderte er, die öffentlichen Diskussionen über die Rolle von Bundespräsident Köhler zu beenden. Man müsse zu "üblichen Umgangsformen im Umgang mit den Verfassungsorganen" zurückkehren.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle begrüßte die Ankündigung Schröders, Neuwahlen über die Vertrauensfrage herbeizuführen. Die Äußerungen Schröders seien eine notwendige Klarstellung gegenüber der "erschreckenden Unordnung" in der SPD. "Den nötigen Abgang mit Anstand muss diese Regierung aus eigener Kraft organisieren", erklärte Westerwelle.

© SZ vom 10.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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