Neuwahl von Parlament und Senat:Machtwechsel in Polen

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Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" hat die Parlamentswahlen gewonnen. Neuer Regierungschef soll Parteichef Jaroslaw Kaczynski werden - sein Zwillingsbruder Lech tritt in zwei Wochen bei den Präsidentschaftswahlen an.

Thomas Urban

Auf "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) entfielen rund 28 Prozent der Stimmen, zwei Prozentpunkte weniger erreichte die liberalkonservative Bürgerplattform (PO). Die Wahlbeteiligung lag indes bei nur etwa 40 Prozent, der tiefste Stand seit dem Ende des kommunistischen Regimes 1989. Mit rund zwölf Prozent schnitt das postkommunistische Demokratische Linksbündnis (SLD) wesentlich stärker als erwartet ab.

Die beiden nationalistischen Parteien "Selbstverteidigung", an deren Spitze der radikale Bauernführer Andrzej Lepper steht, sowie Liga der polnischen Familie (LPR), die beide das Land wieder aus der Europäischen Union herausführen wollen, erreichten jeweils rund zehn Prozent.

Die neugegründete Demokratische Partei, die Reformpolitiker aus dem postkommunistischen Lager, wie den bisherigen Premierminister Marek Belka, und Vertreter des liberalen Flügels der einstigen Gewerkschaft Solidarität, darunter den früheren Premier Tadeusz Mazowiecki, vereinigt, erreichte lediglich zwei Prozent und wird somit nicht ins Parlament einziehen. Die Ergebnisse der Senatswahl werden erst Montag vorliegen.

Das Bündnis der Zwillinge

PiS und PO, die sich ebenfalls beide auf das Erbe der Solidarnosc berufen, haben sich bereits vor einem halben Jahr darauf geeinigt, eine Koalitionsregierung zu bilden. Bis vor zwei Wochen hatte die PO, die weltanschaulich liberale Positionen vertritt, EU- und unternehmerfreundlich ist, in den Umfragen deutlich vorn gelegen. Die PiS unter Führung der Kaczynski-Zwillinge kopierte indes in der Schlussphase des Wahlkampfes das Rezept der deutschen SPD im Bundestag und warf der PO ein Wirtschaftsprogramm der "sozialen Kälte" vor.

Außerdem trommelte der nationalkatholische Sender Radio Maryja massiv für die Zwillinge. Außerdem hatte ein Teil der Medien eine Kampagne gegen den PO-Kandidaten für das Amt des Regierungschefs geführt, den Krakauer Juristen Jan Maria Rokita, der als arroganter, bürgerferner Intellektueller dargestellt wurde. Rokitas Frau Nelli ist eine Russlanddeutsche, die als Spätaussiedlerin vor zwei Jahrzehnten in die Bundesrepublik gekommen war.

Kritische Sprüche gegen Russland und Deutschland

Die Kaczynski-Zwillinge haben sich in den letzten Jahren auch mit starken Sprüchen an die Adresse der Nachbarn in Ost und West profiliert. Kremlchef Wladimir Putin warfen sie eine neue imperialistische Politik vor, das deutsch-russische Abkommen über den Bau einer Erdgaspipeline auf dem Grund der Ostsee verglichen sie mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939, der die Grundlage für die Aufteilung Polens zwischen Nazi-Deutschland und der UdSSR war.

Beide haben sich auch an die Spitze der nationalistischen Gruppierungen gestellt, die sich Reparationsforderungen an die Adresse Berlins vorbehalten. Sollte Jaroslaw Kaczynski Premierminister werden, so dürfte zunächst mit außenpolitischen Konfrontationen zu rechnen sein. Rokita hingegen hatte Zusammenarbeit innerhalb der EU angekündigt.

Die Sejm-Wahlen besiegeln den Absturz des postkommunistischen Linsbündnisses (SLD). Es bekam die Quittung für eine Reihe von Finanzskandalen und Korruptionsaffären bekommen, in die ihre Spitzenleute verwickelt waren. Im Frühjahr gab es deshalb einen Generationswechsel: Die ehemaligen Parteikader Leszek Miller, Jozef Oleksy und Wlodzimierz Cimoszewicz, die im letzten Jahrzehnt alle vorübergehend an der Spitze der Regierung gestanden und Ministerämter innegehabt haben, sind abgetreten.

© SZ vom 26.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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