Neues Strafgesetzbuch:Türkei stärkt die Rechte von Frauen

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Vergewaltigung in der Ehe ist erstmals strafbar und Jungfräulichkeitstests sind nur noch bedingt zulässig. Auch sogenannte "Ehrenmorde"

Von Christiane Schlötzer

In der Türkei ist am Mittwoch ein neues Strafgesetzbuch in Kraft getreten, mit dem Ankara Forderungen der EU erfüllen will. Es ist die umfassendste Reform der türkischen Rechtsordnung seit der Gründerzeit der Republik vor etwa 80 Jahren.

Eine türkische Fahne und eine Abbildung des Staatsgründers Kemal Atatürk anlässlich des 81. Jahrestages des Abzugs der britischen Truppen aus der Türkei. (Foto: Foto: AP)

Das Gesetzbuch stärkt die Menschenrechte und bringt insbesondere für Frauen Verbesserungen. Vergewaltigung in der Ehe ist nun erstmals ein Straftatbestand. Abgeschafft wurden dagegen Strafmilderungen für so genannten Ehrenmorde.

Deren Opfer sind fast immer Mädchen und Frauen. "Ehrenmördern" droht nun "lebenslänglich unter erschwerten Bedingungen". Die heftig umstrittenen Jungfräulichkeitstests sind nur noch mit richterlicher Anordnung möglich.

Frauenorganisationen hatten sich mit einer intensiven Kampagne lange für die Reformen eingesetzt und auch die konservative Regierungspartei AKP überwiegend von ihren Wünschen überzeugen können. Insgesamt enthält das Gesetz etwa 30 Korrekturen zugunsten der Frauen, wie der Nachrichtensender NTV berichtete.

Massive Medien-Proteste

Dagegen hatten die türkischen Journalistenverbände erst in den letzten Monaten im dem Gesetzbuch gravierende Mängel entdeckt und "Bedrohungen der Pressefreiheit" kritisiert. Nach massiven Medien-Protesten war das Gesetz, das schon zum 1. April in Kraft treten sollte, gestoppt und in Teilen neu beraten worden. Die Kritik hält aber an.

Regierung und Parlament hätten die Einwände weitgehend nicht berücksichtigt, sagte der Vorsitzende des Presserats, Oktay Eksi. Er kündigte an, notfalls vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, um die Streichung einiger Strafvorschriften zu erreichen.

Nach Einschätzung von EU-Diplomaten sind die Tatbestände zum Teil äußerst vage formuliert. Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang der Artikel 305, der für "Taten gegen nationale Belange" mit hohen Gefängnisstrafen droht, wobei als Beispiele die offizielle Armenien- und Zypern-Politik genannt wurden.

Dieser Artikel, der als Zugeständnis an nationale Kreise gilt, war ursprünglich auch auf Presseerzeugnisse bezogen, was aber zuletzt wieder gestrichen wurde. Erst die Praxis der Staatsanwaltschaften und Gerichte werde wohl zeigen, in welchem Maß sich eine wirkliche Reform realisieren lasse, sagten Kommentatoren.

Härtere Strafen für Folter, Prostitution und Bettelei

Dennoch wird das Gesetz in großen Teilen dem geforderten "Mentalitätswandel" gerecht. So werden die Strafen für Folterer erhöht. Wer Kinder zur Prostitution oder zur Bettelei auf die Straße schickt, wird ebenfalls härter bestraft.

Korrupten Staatsdienern drohen bis zu zwölf Jahren Haft. Neue Straftatbestände sind Menschenschmuggel, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das in der Türkei weit verbreitete Abhören von Telefonen ohne Erlaubnis wird auch bestraft.

Die Zeitung Vatan berichtete am Mittwoch, das Gericht für schwere Delikte in Diyarbakir habe jüngst im Zuge der Jagd nach Terroristen für fast zwei Monate alle Telefonate im Land überwachen lassen. Ein solches Vorgehen untersagt nun das neue Gesetz.

© SZ vom 2.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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