Neuer Zeuge im Mzoudi-Prozess:Der Spion, der aus dem Zwielicht kam

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Der plötzlich aufgetauchte Zeuge will als Geheimagent für die CIA gearbeitet haben und belastet den Angeklagten Mzoudi. Doch die Richter finden die Aussagen des Iraners seltsam.

Von Ralf Wiegand

Die Geschichte, die der Zeuge mit dem Decknamen Hamid Reza Zakeri den beiden BKA-Beamten Aney Neumann, 28, und Thorsten Wendt, 29, zwischen 9 Uhr und 15.35 Uhr am Montag dieser Woche in der Berliner Niederlassung des Bundeskriminalamts auftischte, wäre dazu geeignet, die Weltgeschichte umzuschreiben.

"Entweder, man hat da eine politische Bombe", sagte Andreas Schulz, der Vertreter der Nebenklage im Prozess gegen den mutmaßlichen Terrorhelfer Abdelghani Mzoudi, "oder er ist ein Spinner." Denn wenn Zakeris Geschichte nicht stimmt, wofür einiges spricht, hätte der 3. Strafsenat des Hamburger Oberlandesgerichts mit seinem Vorsitzenden Klaus Rühle viel Zeit mit einer Räuberpistole verschwendet, anstatt wie geplant das Urteil über Mzoudi zu sprechen.

Der Mann, der sich da so kurz vor Toresschluss als vermeintlicher Kronzeuge in den Prozess gegen Mzoudi eingemischt hat, erzählte seine Version vom 11. September schon früher gern. Im Februar 2003 veröffentlichte die in London ansässige arabische Zeitung Al-Sharq al-Awsat die erstaunliche Weltsicht des vorgeblichen Ex-Agenten Hamid Reza Zakeri, so sein Alias-Name, wonach in Iran die Fäden für die Anschläge gezogen wurden.

Nicht die in den USA inhaftierte Al-Qaida-Größe Khalid Sheik Mohammed sei demnach Mastermind der Flugzeugangriffe gewesen, sondern der in Iran stationierte Ägypter Saif al-Adel, ehemals Osama Bin Ladens Leibwächter. Wichtige Treffen hätten in Iran stattgefunden; Bin Ladens Sohn Saad sei dabei gewesen. So steht es in den Zeitungen, so sagte er es beim BKA-Verhör in Berlin.

"Optisch souverän"

Zakeri nannte Namen, Orte, Daten, er hielt Dokumente in die Luft, händigte sie aber nicht aus. "Er trat sehr überzeugt auf", sagte BKA-Mann Wendt, sein Kollege Neumann fand ihn "optisch souverän". Zakeris Personalien werden vertraulich behandelt, deshalb sagte er auch nicht selbst im Hamburger Gericht aus, sondern nur die Beamten, die ihn vernommen haben. Schließlich will Zakeri Doppelagent des iranischen Vevak und der amerikanischen CIA gewesen sein.

Das Verhör am Montag in Berlin war eine mühsame Prozedur. Man dürfe ihn mit "Toni" ansprechen, sagte Zakeri den BKA-Beamten. Ein Dolmetscher übersetzte hin und her. "Eine zeitintensive Angelegenheit", sagte Kommissar Neumann dem Gericht. Das 15-seitige Protokoll zeichnet das Bild eines ehemaligen Agenten mit steiler Karriere in den geheimsten Geheimdiensten Irans. Noch heute, obwohl er angeblich auf "der Abschussliste" steht, sich fremden Nachrichtendiensten offenbart haben will und in Zeitungen plauderte, will Zakeri funktionierende Quellen in Iran haben. Richter Rühle fand das seltsam.

Zakeri, der Super-Agent? 150 000 Dollar pro Jahr seien der CIA seine Dienste für die USA Wert gewesen, bezahlt worden sei allerdings nie. Im Juli 2001 sei er aus Iran nach Aserbeidschan geflohen, habe sich in Baku bei der US-Botschaft einer CIA-Beamtin vorgestellt. Der habe er erzählt, dass am 11.September etwas passieren würde. Im arabischen Zeitungsinterview hatte er allerdings gesagt, er habe über den 11. September vorher nichts gewusst. Er habe auch gebeten, die CIA möge die 1,2 Millionen Dollar Honorar, die seit 1994 aufgelaufen seien, "auf mein Konto überweisen". Daraufhin habe man ihn weggeschickt. Auch bei den Franzosen fand er kein Gehör.

Zwielichtiger Super-Agent

In Berlin hörte man ihm zu, nachdem er in einer anderen Vernehmung angedeutet hatte, er wisse auch etwas über "die Person, gegen die in Hamburg gerade verhandelt" werde. Abdelghani Mzoudi also, der, nachdem er im Dezember aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, einen Freispruch erwarten durfte. Die Politik hat das schockiert, Innenminister Otto Schily sagte, er erwarte einen Schuldspruch. Zakeri könnte nun erneut die Wende bringen; die BKA-Spezialisten aus Meckenheim wurden angefordert.

Zakeri erzählte ihnen, Mzoudi sei bei 9/11 für "die Logistik" zuständig gewesen. Genau diesen Begriff verwendet die Anklage. Was unter "Logistik" genau zu verstehen sei, wollte Richter Rühle wissen. Zakeri habe gesagt, berichteten die BKA-Beamten, Mzoudis "Arbeitsbereich war der Entwurf und die Entsendung von Informationen an Verbindungsleute, da er sich mit Codes gut auskannte". Al Qaida wolle Mzoudi eliminieren, ehe er die US-Behörden auf die Spur weiterer Hintermänner führen könne.

Seine Informationen habe er im Dezember 2003 erhalten, sagte Zakeri - mehr als zwei Jahre nach seiner Flucht aus Iran. Er habe unter anderem eine verschlüsselte E-Mail erhalten. Die Übersetzerin, die diese Mail aus dem Persischen ins Deutsche übertrug, hatte ihre liebe Mühe damit. Es kam nur Kauderwelsch heraus. Der Absender ist geschwärzt, das BKA erhielt lediglich eine Kopie. Richter Rühle wunderte sich, warum die Beamten nicht das Original einbehielten. Es sei doch "eine der leichtesten Aufgaben, den Absender lesbar zu machen".Das BKA recherchiert nun die Fakten der Aussage, bis nächste Woche soll es einen Bericht geben, sagte BKA-Kommissar Wendt.

© SZ vom 23.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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