Neue Strategie für den Irak:20.000 Soldaten gegen die Fehler der Vergangenheit

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In seiner mit Spannung erwarteten Rede hat der US-Präsident erstmals Fehler im Irakkrieg zugegeben. Die Situation sei inakzeptabel. Im Zentrum der neuen Strategie: die Aufstockung der Truppen um 20.000 Mann.

US-Präsident George W. Bush hat erstmals Fehler im Irakkrieg zugegeben und dafür die Verantwortung übernommen.

In seiner mit Spannung erwarteten Fernsehansprache betonte er aber am Mittwochabend (Ortszeit) die Entschlossenheit der USA, im Irak der Demokratie zum Sieg zu verhelfen.

Im Zentrum der "neuen Strategie" steht eine Aufstockung der bislang gut 130.000 Mann starken US-Truppen um mehr als 20.000 Mann, eine neue Offensive gegen Aufständische vor allem in Bagdad sowie die Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit an die Iraker.

Bush gestand ein, die Lage im Irak falsch eingeschätzt zu haben. "Wir dachten, die Wahlen 2005 würden die Iraker zusammenbringen und dass wir mit dem Training irakischer Sicherheitskräfte unsere Mission mit weniger US-Truppen erfüllen könnten... aber das Gegenteil geschah", sagte Bush.

Die Situation im Irak sei derzeit für das amerikanische Volk und für ihn selbst "nicht akzeptabel". Die US-Truppen hätten tapfer gekämpft und alles getan, was Washington befohlen habe. "Wo Fehler gemacht wurden, liegt die Verantwortung bei mir".

Ein Ende der US-Militärpräsenz, so Bush, würde einen Kollaps einleiten

Der Kampf im Irak entscheide "die Richtung des globalen Kriegs gegen den Terrorismus und über die Sicherheit bei uns zu Hause", betonte Bush in seiner 20-minütigen Ansprache.

Die bisherigen Bemühungen um mehr Sicherheit in Bagdad seien gescheitert, weil nicht genügend Truppen dafür eingesetzt worden seien. Außerdem seien die US-Truppen von zu vielen Einschränkungen behindert worden. Künftig sollen sie freie Hand erhalten, um in Wohnviertel einzudringen.

Auch werde es keine politische oder religiöse Einflussnahme mehr geben, sagte Bush. Der US-Präsident wandte sich gegen Forderungen der Demokratischen Partei, ein Ende der amerikanischen Militärpräsenz im Irak einzuleiten.

Dies würde nur zu einem Kollaps der irakischen Regierung führen, "dieses Land auseinander reißen und zu massenhaftem Tod von unvorstellbarem Ausmaß führen".

Die Verstärkung der Truppen könne dazu beitragen, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und "die Ankunft des Tages zu beschleunigen, an dem unsere Truppen mit der Heimkehr beginnen werden".

Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki habe versichert, dass künftig politische oder religiös-motivierte Einflussnahme auf das Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht länger toleriert werde.

Nur die Iraker selbst könnten die Gewalt beenden und für Sicherheit sorgen, sagte Bush.

Al-Maliki müsse nun aber, wie versprochen entschieden gegen Aufständische und Milizen vorgehen. Bis November soll Bagdad die Verantwortung für alle Provinzen übernehmen. Wenn die Regierung ihre Versprechungen nicht erfülle, werde sie die Unterstützung des amerikanischen Volkes verlieren, so Bush. Al-Maliki habe verstanden, dass es nun Zeit sei, zu handeln.

Die oppositionelle Demokratische Partei reagierte mit scharfer Kritik auf die Rede Bushs.

"Die Eskalation unserer militärischen Verwicklung im Irak ist genau die falsche Botschaft, und wir sind dagegen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Nancy Pelosi und Harry Reid, den Führern der Partei in beiden Kammern des Parlaments.

Bush habe schon zum dritten Mal in seiner Amtszeit die Verstärkung der Truppen angekündigt, sagte Pelosi. "Zwei Mal hat es nicht funktioniert." In beiden Kammern wird die Abstimmung über eine Entschließung vorbereitet, die Bush dazu aufrufen soll, keine weiteren Soldaten in den Irak zu schicken.

Nach Informationen aus dem Weißen Haus sollen fünf Brigaden mit 17.500 Soldaten nach Bagdad geschickt werden. Die erste Brigade soll bereits bis Montag eintreffen, die zweite bis zum 15. Februar und die drei weiteren ebenfalls im Abstand von jeweils einem Monat.

Außerdem sollen 4.000 Marineinfanteristen in der Provinz Anbar stationiert werden, die als Hochburg des sunnitischen Aufstands und ausländischer Al-Kaida-Kämpfer gilt.

In dem bevorstehenden Ergänzungshaushalt sollen 5,6 Milliarden Dollar für die Truppenverstärkung bereit gestellt werden.

Das neue Programm Bushs sieht ferner 1,2 Milliarden Dollar für Wiederaufbau und Wirtschaftshilfe im Irak vor.

Er glaube an einen Erfolg der "neuen Strategie", auch "wenn ein Sieg nicht aussehen wird wie jene (Siege), die unsere Väter und Großväter erzielt haben", so Bush. Eine demokratisches Irak werde nicht perfekt sein, aber "es wird ein Land sein, das Terroristen bekämpft statt sie zu beherbergen". Bush ist mit seiner neuen Strategie bereits vor der Rede auf erheblichen Widerstand in der US-Öffentlichkeit, bei den Militärs und den Demokraten gestoßen.

Nur zwölf Prozent der US-Bürger befürworten laut einer in der Tageszeitung "USA Today" veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Gallup eindeutig die Entsendung weiterer US-Soldaten in den Irak. Die Demokraten kündigten eine Abstimmung im Kongress über die Truppenentsendung an.

Senator Dick Durbin meinte, es sei Zeit, an einen US-Rückzug zu denken. Bush habe offensichtlich "die Botschaft der Wähler nicht verstanden", die den Republikanern bei den Kongresswahlen im November eine bittere Niederlage beschert hatten.

Mit der Aufstockung der US-Truppen folgt Bush der Washington Post zufolge erstmals nicht dem Rat seiner Generäle. Die Militärs fürchten demnach deutlich mehr Opfer unter den US-Truppen, wenn sie verstärkt in den Hochburgen der Aufständischen eingesetzt würden. Der republikanische Senator John McCain sagte im Fernsehsender Fox News "unvermeidlich" höhere Verluste für die US-Truppen voraus.

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