Nazi-Vergleich:Eine Schande für die SPD

Ludwig Stieglers jüngste Äußerungen lassen ihn als einen Provinzdeppen in rotem Pullover erscheinen. Das ist er nicht, wohl aber eine Schande für die Genossen und sich selbst. Ein Kommentar von Kurt Kister

Ludwig Stiegler ist kein Provinzdepp, sondern Vorsitzender der bayerischen SPD und außerdem Vize-Fraktionschef im Bundestag. Und er ist eigentlich ein gebildeter Mensch, der dies allerdings immer wieder durch polemische Poltereien erfolgreich verschleiert.

Was er sich jetzt aber geleistet hat, ist weit unterhalb jedes in der politischen Auseinandersetzung gerade noch erträglichen Niveaus. Stiegler sagte, bei dem CDU-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft", falle ihm der Satz "Arbeit macht frei" ein.

Ja, das CDU-Motto ist simpel bis einfältig. Das ist leider üblich im Wahlkampf. Es gibt viele Formen von Arbeit, die nicht sozial sind - unbezahlte oder miserabel entlohnte Arbeit, Kinder- und Zwangsarbeit, Arbeit für verwerfliche Zwecke.

Zynischer Moralist

Wer darauf aber mit dem eindeutig besetzten Satz "Arbeit macht frei" verweist, der handelt wie jene Rechtsradikalen, die durch den Tabubruch um jeden Preis politische Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen. "Arbeit macht frei" war auf den Toren der Konzentrationslager Auschwitz und Dachau zu lesen.

Weil Stiegler kein Provinzdepp ist, weiß er das. Er hat sich bewusst eingereiht unter jene zynischen Moralisten, die es nicht lassen können, den politischen Gegner mit Assoziationen aus der Nazi-Zeit zu verunglimpfen. Und er hat die schlimmste Analogie benutzt, die es in diesem Zusammenhang gibt.

Er hat, wenn auch bewusst verschwiemelt, das Vernichtungssystem der Konzentrationslager angesprochen, um einen Punkt im Wahlkampf zu machen. Dies ist eine Schande für Ludwig Stiegler und die SPD - zumal da Zehntausende Sozialdemokraten hinter den Toren mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" geschunden und ermordet wurden.

© SZ vom 13.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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