Nazi-Verbrechen:USA schieben früheren KZ-Aufseher ab

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Jakiw Palij, hier ein undatiertes Foto auf einem US-Visum, wanderte 1949 in die USA aus. Er lebte im New Yorker Stadtteil Queens. (Foto: Uncredited/US Department of Justice/dpa)

Die Bundesregierung stimmt der Aufnahme des 95-jährigen Jakiw Palij nun zu - nachdem sie sich zuvor über Jahre geweigert hatte.

Von Xaver Bitz, München

73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA einen ehemaligen KZ-Wächter nach Deutschland abgeschoben. Um den Status des inzwischen 95 Jahre alten Jakiw Palij hatte es jahrelang Streit zwischen dem Weißen Haus und der Bundesregierung gegeben. Palij landete am frühen Dienstagmorgen mit einer Militärmaschine auf dem Düsseldorfer Flughafen. Von dort wurde er nach Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Bild per Krankentransport in ein Altenheim im Münsterland gebracht.

Palij, geboren in einem Teil Polens, der heute zur Ukraine gehört, war 1943 als Helfer für die SS ausgebildet und später im Arbeitslager Trawniki in Ostpolen eingesetzt worden. Dort soll er US-Ermittlern zufolge am Massenmord an bis zu 7000 Juden beteiligt gewesen sein. Ihm wird der US-Regierung zufolge vorgeworfen, an der "Aktion Reinhardt" teilgenommen zu haben. Dies war der Tarnname für die systematische Ermordung aller Juden und Roma in dem durch das "Dritte Reich" besetzten Polen.

Als bewaffneter Aufseher soll Palij eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, "dass die jüdischen Trawniki-Opfer durch die Nationalsozialisten ihr tragisches Schicksal ereilte", heißt es in einer Erklärung des Weißen Hauses. 1949 sei Palij in die USA eingewandert. Seine Tätigkeit für die Nationalsozialisten habe er den Behörden verheimlicht und behauptet, auf dem Bauernhof seines Vaters und in einer deutschen Fabrik gearbeitet zu haben. Acht Jahre später bekam er die US-Staatsbürgerschaft.

2001 gestand Palij Beamten des US-Justizministeriums seinen Einsatz in Trawniki. Daraufhin entzog ihm ein Bundesgericht die US-Staatsbürgerschaft wieder. Drei Jahre später wurde seine Abschiebung nach Deutschland angeordnet. Die Versuche, diese Entscheidung umzusetzen, seien aber erfolglos geblieben. Die Bundesregierung hatte sich einem entsprechenden Gesuch der USA bislang verweigert.

Diese Haltung hat sich nun geändert. Das Auswärtige Amt teilte der SZ mit, dass die Bundesregierung "mit der Aufnahme Palijs ein klares Zeichen der moralischen Verantwortung Deutschlands" setze. Die US-Botschaft in Berlin erklärte, der neue Botschafter Richard Grenell habe den Fall seit Mai "immer wieder" gegenüber den deutschen Behörden angesprochen. US-Präsident Donald Trump, teilte das Weiße Haus mit, habe der Abschiebung Palijs Priorität eingeräumt. Personen, die NS-Verbrechen und andere Menschenrechtsverstöße unterstützt hätten, würden auf amerikanischem Boden keine Zuflucht finden.

Dass Palij nun in Deutschland der Prozess gemacht wird wie etwa dem ehemaligen KZ-Wachmann Oskar Gröning, hält Jens Rommel für unwahrscheinlich. Der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg sagte der SZ: "Derzeit laufen keine Ermittlungen gegen ihn. Als Beweismittel kommen Urkunden, Zeugen oder Sachverständige in Betracht. Für eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord müsste geklärt werden, in welcher Einheit ein Beschuldigter seine Funktion ausgeübt hat und an welchen systematischen Morden diese Einheit beteiligt war. Die bloße Mitgliedschaft in der SS oder die Ausbildung im Lager Trawniki reichen dazu aber nicht aus."

Dies kann sich Rommel zufolge nur dann ändern, wenn die Staatsanwaltschaft "eine neue Beweislage sieht". Dafür sei allerdings nicht entscheidend, ob sich der Beschuldigte in Deutschland aufhalte. Entscheidend sei vielmehr, ob ein Täter ein deutscher Amtsträger war oder wie einer zu behandeln ist. Das sei im Fall Palijs zwar gegeben, jedoch sei die Beweislage nach wie vor nicht ausreichend für eine Anklage.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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