Nato-Treffen in Brüssel:"Kriege konventioneller Art gibt es nicht mehr"

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Um umfassende internationale Verantwortung übernehmen zu können, wollen die Nato-Staaten ihre Kommandostrukturen reformieren und bis 2006 eine neue Eingreiftruppe aufstellen. Nato und Europäische Union, so Bundesverteidigungsminister Struck, müssten "gemeinsam Konzepte zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus entwickeln".

Die modernisierte Nato ist nach den Worten ihres Generalsekretärs George Robertson in der Lage, umfassende internationale Verantwortung zu übernehmen.

Zu Beginn eines zweitätigen Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel verwies Robertson am Donnerstag auf den bevorstehenden Einsatz des Bündnisses in Afghanistan und die Unterstützung für die polnischen Truppen im Irak.

Dies zeige die Bereitschaft und die Fähigkeit der neuen Nato, international weit reichende Verantwortung für Frieden und Stabilität zu übernehmen, sagte Robertson.

Konzepte gegen den Terrorismus

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte bei seiner Ankunft in der belgischen Hauptstadt, Nato und Europäische Union müssten "gemeinsam Konzepte zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus entwickeln". Dies sei angesichts neuer Bedrohungen sehr wichtig, erklärte Struck in Brüssel.

Es gebe "keine Kriege konventioneller Art mehr", sagte Struck. "Wir müssen uns mit so genannten asymmetrischen Bedrohungen befassen."

Robertson zeigte sich überzeugt, dass die Allianz mit der geplanten neuen Eingreiftruppe und reformierten Kommandostrukturen den neuen Herausforderungen gewachsen sein werde. Zu beiden Themen sollen bei dem Treffen in Brüssel weitere Entscheidungen fallen.

Ziel ist eine Eingreiftruppe mit rund 21.000 Mann, die spätestens im Oktober 2006 voll einsatzfähig ist. Eine erste Einsatzfähigkeit soll bis spätestens Oktober 2004 hergestellt sein. Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, US-General James Jones, strebt dies aber bereits für diesen Herbst an.

Die Truppe soll aus Verbänden von Heer, Luftwaffe und Marine bestehen und in Teilen bereits binnen fünf Tagen an Krisenorte verlegt werden können. Komplett soll die Streitmacht nach 30 Tagen am Einsatzort sein. Eingesetzt werden soll sie sowohl bei "friedenserzwingenden Operationen" als auch bei Evakuierungen und im Kampf gegen den Terror. Das Kontingent soll neben seiner extrem hohen Mobilität technologisch auf dem neuesten Stand sein.

Zur Verbesserung des strategischen Lufttransports wollen die Minister eine Absichtserklärung unterzeichnen, nach der die Nato langfristige Charter-Verträge mit der Ukraine abschließen will. Die Federführung dabei liegt bei Deutschland. Weil mit der Auslieferung der von mehreren europäischen Staaten bestellten Transportflugzeuge des Typs Airbus A400M erst 2010 begonnen wird, will die Bundesregierung für die Nato längerfristige Charter-Verträge mit der Ukraine abschließen.

Ständiger Zugriff auf Flugzeuge

Nach Vorstellungen der Allianz soll die Nato ständigen Zugriff auf fünf bis sechs Flugzeuge haben. In Frage kommen vor allem ukrainische Antonows, die besonders die Bundeswehr bereits für die ISAF-Mission in Afghanistan nutzt. Erwogen werden auf Wunsch Kanadas zudem Leasing-Verträge für Transportflugzeuge vom Typ Boeing C-17, die vor allem von den USA genutzt werden.

Um militärisch effizienter zu sein, will die Nato auch ihre Kommandostruktur straffen. Vorgesehen ist eine Reduzierung der Hauptquartiere um neun auf dann nur noch 16. Für Deutschland sind nach Angaben von Diplomaten keine Einschnitte vorgesehen.

Die Hauptquartiere in Ramstein und Heidelberg sollen bestehen bleiben. Schließungen sind vorgesehen in Norwegen, Dänemark, Italien, den USA und Großbritannien. Eine Einigung wird bislang aber von Spanien und Griechenland blockiert, die sich von den Planungen benachteiligen sehen.

Zu den Brüsseler Beratungen sind auch die sieben Staaten Osteuropas - Bulgarien, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und die drei Balten-Republiken Estland, Lettland und Litauen - eingeladen, die dem Bündnis 2004 beitreten werden.

Für die von den Staats- und Regierungschefs der Nato Ende November in Prag beschlossene Verbesserung der militärischen Fähigkeiten steht bei dem Brüsseler Ministertreffen eine Bestandsaufnahme an.

Geht es nach dem Willen des Europa-Oberkommandierenden General James L. Jones, sollen wesentliche Teile der Nato-Eingreiftruppe noch in diesem Jahr einsatzbereit sein. Militärexperten halten das allerdings für zu optimistisch. Ab August wird die Nato von Deutschland und den Niederlanden das Kommando über die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) übernehmen.

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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