Nato-Gipfel:Obama will Welt ohne Atomwaffen

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Zum Auftakt des Nato-Gipfels hat Präsident Obama die europäischen Partner aufgefordert, ihren militärischen Beitrag zu verstärken. Er wünsche sich ein Europa mit stärkeren Verteidigungskapazitäten, sagte Obama - und kündigte einen Fahrplan für eine Welt ohne Atomwaffen an.

US-Präsident Barack Obama hat die europäischen Verbündeten zu einer Verstärkung ihrer militärischen Anstrengungen aufgefordert. "Wir wollen starke Verbündete", sagte er am Freitag in Straßburg nach einem Gespräch mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Barack Obama in Straßburg: "Ich musste kein strampelndes und schreiendes Frankreich nach Afghanistan hineinzerren." (Foto: Foto: Reuters)

"Wir würden gerne sehen, dass Europa sehr viel stärkere Verteidigungskapazitäten hat", sagte Obama. "Wir wollen nicht der Schutzpatron Europas sein, wir wollen der Partner Europas sein." Obama fügte hinzu: "Je mehr militärische Fähigkeiten wir sehen, desto glücklicher werden wir darüber sein, desto effektiver werden wir unsere Fähigkeiten koordinieren können."

Außerdem kündigte der US-Präsident an, eine Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Er werde dazu am Wochenende beim Gipfeltreffen der EU und der USA in Prag einen Fahrplan vorlegen, sagte Obama in einer Versammlung mit mehreren tausend Schülern. "Dieses Wochenende in Prag werde ich eine Tagesordnung vorlegen, um das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen zu verfolgen", sagte Obama. "Selbst nach dem Ende des Kalten Krieges könnte die Verbreitung von Atomwaffen oder der Diebstahl von atomarem Material zur Vernichtung von jeder Stadt auf dem Planeten führen."

Die USA und Russland hatten vor einigen Tagen erklärt, an einer Reduzierung ihrer Arsenale bis 2012 auf je 1700 bis 2200 Gefechtsköpfe arbeiten zu wollen. Die USA haben Experten zufolge gegenwärtig etwa 3600 strategische Sprengköpfe, Russland 3100. Obama betonte am Freitag zudem erneut, es dürfe im Nahen Osten keinen nuklearen Rüstungswettlauf geben. Der Westen wirft dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben, was die islamische Republik zurückweist. Es wird allgemein angenommen, dass Israel bereits über Atomwaffen verfügt.

Der Präsident richtete auch deutliche Worte an Nordkorea und forderte es auf, seinen umstrittenen Raketentest zu verzichten. Die US-Regierung habe der Führung in Pjöngjang gegenüber deutlich gemacht, dass der Raketenstart "provokativ" sei, sagte. Nordkorea will nach eigenen Angaben zwischen Samstag und kommendem Mittwoch einen Kommunikationssatelliten ins All befördern. Die USA, Japan und Südkorea befürchten dagegen, dass Nordkorea unter dem Vorwand des Satellitenstarts eine Langstreckenrakete testen will.

Mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz stellte der US-Präsident keine weiteren Forderungen an die Europäer. "Das ist keine Frage von mehr Ressourcen, sondern der Nutzung der Ressourcen, die wir haben", sagte Obama. Alle Verbündeten engagierten sich bereits stärker in Afghanistan.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy betonte, dass sein Land "vollständig" hinter den neuen US-Strategie für Afghanistan stehe. Zugleich stellte er aber klar, dass Paris seinen Truppenbeitrag nicht erhöhen werde. "Aber wir sind bereit, beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und der Wirtschaft mehr zu leisten." Obama machte deutlich, dass die USA niemanden nach Afghanistan zwinge. "Ich musste kein strampelndes und schreiendes Frankreich nach Afghanistan hineinzerren", sagte der US-Präsident.

Der US-Präsident dankte Sarkozy für "die starke Führungsrolle in Afghanistan". Zugleich sagte er, für Europa sei das Risiko von Terroranschlägen von al-Qaida größer als für die USA, "schon allein wegen der territorialen Nähe" zu Afghanistan. Deswegen sei es nicht alleine die Aufgabe der USA dafür zu sorgen, dass in Afghanistan keine neue Rückzugsorte für Terroristen entstünden. Die USA wollen im Rahmen ihrer neuen Strategie 17.000 weitere Soldaten sowie 4000 Militärausbilder an den Hindukusch schicken.

Zugleich soll der zivile Wiederaufbau gestärkt und Indien und Iran in die Lösung des Konfliktes miteinbezogen werden. Ebenso wie Frankreich hat auch Deutschland kategorisch abgelehnt, sich mit einem größeren Truppenkontingent an der Sicherung Afghanistans zu beteiligen.

Belgien und Spanien künditgten indes an, zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu senden. Der belgische Regierungschef Herman Van Rompuy kündigte in Brüssel die Stationierung von etwa 60 weiteren belgischen Soldaten in Afghanistan an. Spaniens stellvertretende Regierungschefin María Teresa Fernández de la Vega erklärte in Madrid, zwölf zusätzliche Soldaten ihres Landes würden sich künftig an der Ausbildung der afghanischen Armee beteiligen. Eine weitere Truppenaufstockung zur Sicherung der Wahlen in Afghanistan im August wird ihren Angaben zufolge noch geprüft.

Die künftige Nato-Strategie für das Land wird Schwerpunkt des Gipfels am morgigen Samstag in Straßburg.

Sarkozy lobte Obama darüber hinaus für sein Management in der Finanzkrise. "Ich freue mich, mit einer amerikanischen Regierung zusammenzuarbeiten, die auch den Willen hat, diese Probleme zu regeln", sagte er mit Blick auf die Ergebnisse des G-20-Gipfels. "In den nächsten Wochen werden wir zahlreiche Initiativen ergreifen." Man werde Hand in Hand zusammenarbeiten, um eine neue Welt zu konstruieren.

Sarkozy und Obama sprachen auch über die von den USA angekündigte Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba. "Wir brauchen Hilfe bei bestimmten Häftlingen", sagte Obama. Es gebe aber zum jetzigen Zeitpunkt "keine Ankündigungen" zu machen, sagte der US-Präsident. Sarkozy sagte, Guantanamo entspreche nicht den Werten der USA. Er kündigte an, einen Gefangenen aufnehmen zu wollen. Wenn die Aufnahme eines Guantanamo-Häftlings die Schließung des Lagers erleichtern werde, sei Frankreich dazu bereit. Obama erklärte, er werde Guantanamo schließen, "weil es die USA nicht sicherer gemacht hat".

"Wie kann ich das verteidigen?"

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer kritisierte unterdessen die afghanische Regierung wegen eines Gesetzentwurfs scharf, der laut der britischen BBC Vergewaltigung in der Ehe erlaubt. Kurz vor dem Beginn des Nato-Gipfels, bei dem es um eine Verstärkung des westlichen Engagements in Afghanistan gehen soll, sagte er dem Sender BBC: "Wie kann ich das verteidigen, und wie können die Briten das verteidigen, wenn unsere Jungen und Mädchen dort bei der Verteidigung der Menschenrechte sterben, und da gibt es ein Gesetz, das die Menschenrechte fundamental verletzt?" Dies beunruhige ihn sehr.

Mit rund zweistündiger Verspätung began am Freitag in Baden-Baden auch eine Demonstration gegen den Nato-Gipfel. Nach Polizeiangaben zogen rund 300 Demonstranten, begleitet von mehreren Hundertschaften Polizei, vom Bahnhofsvorplatz im Stadtteil Oos Richtung Innenstadt. Viele von ihnen waren bunt gekleidet, teilweise in Clowns- und Fantasiekostümen. Sie trugen Transparente mit Parolen wie "60 Jahre Nato = 60 Jahre Krieg" und "Nein zur Nato". "Wir sind hier in Baden-Baden, um Euch die Suppe zu versalzen, die andere nicht haben", rief Mitorganisator Monty Schädel zu Beginn des Protestzuges.

Ursprünglich hatten die Veranstalter mit mehreren tausend Teilnehmern gerechnet. Schädel sagte, Nato-Gegner aus den Protestcamps im zweiten Gipfel-Tagungsort Straßburg hätten ihn informiert, dass Tausende in Straßburg blieben aus Furcht davor, dass sie nicht mehr zur Haupt-Demonstration am Samstag in die französische Grenzstadt zurückkämen. Dort wollen nach Angaben der Organisatoren Zehntausende den Nato-Gipfel blockieren.

Die Demonstrationsstrecke in Baden-Baden verläuft parallel zu der Straße, auf der die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder vom Flughafen in die Innenstadt fahren wollten. An einer Stelle liegen beide Straßen nur rund 50 Meter voneinander entfernt. Allein in Deutschland sind knapp 15.000 Polizisten zum Schutz des Gipfels im Einsatz.

In der Nacht zum Freitag waren in Straßburg nach Zusammenstößen mit der Polizei rund 300 Nato-Gegner festgenommen worden, von denen noch 40 in Polizeigewahrsam sind. Mehr als 500 Demonstranten hatten versucht, sich im Zentrum von Straßburg zu versammeln. Ihre Zahl wuchs an, als sich zahlreiche Jugendliche aus den Vororten anschlossen.

Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengas auf vermummte Jugendliche, die trotz massiver Absperrungen in die Innenstadt von Straßburg vordringen wollten. Auf ihrem Weg warfen die Nato-Gegner die Fenster einer Polizeiwache ein, zündeten Mülltonnen an, zerkratzten Autos und bauten Barrikaden.

© dpa/AP/Reuters/AFP/gba/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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