Nahost:Zahlreiche Tote in Jerusalem und Gaza-Stadt

Lesezeit: 3 min

Ein Selbstmordattentäter hat sich in einem Bus in der Jerusalemer Innenstadt in die Luft gesprengt und mindestens 16 Menschen mit in den Tod gerissen. Mit einem Raketenangriff hat Israel unterdessen erneut versucht, einen Hamas-Führer zu liquidieren.

Etwa 80 Menschen erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Der Anschlag ereignete sich im nachmittäglichen Berufsverkehr in einem Bus in der Jaffa-Straße, einer Hauptverkehrsstraße Jerusalems.

Das Fahrzeug hatte gerade den zentralen Busbahnhof verlassen und befand sich zum Zeitpunkt der Detonation in der Nähe des Marktes Mahane Jehuda, der in der Vergangenheit mehrfach Ziel von Anschlägen war.

Ein Augenzeuge berichtete, der Bus sei "von der Wucht der Explosion förmlich zerrissen worden". Der Attentäter sei als orthodoxer Jude verkleidet gewesen. Der Jerusalemer Polizeichef Micki Levy sprach von einem besonders großen Sprengsatz. Zu dem Blutbad bekannte sich die bewaffnete Arm der Hamas, Issedin al Kassam.

Wenige Minuten später beschossen nach Augenzeugenberichten Apache- Helikopter das Fahrzeug des führenden Hamas-Aktivisten Massaud Titi mit Raketen. Titi sowie zwei weitere Insassen und vier Passanten wurden getötet.

Scharon steht zu gezielten Tötungen

Nur Stunden zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon angekündigt, Israel wolle ungeachtet der scharfen internationalen Kritik an der versuchten Tötung des Hamas-Führers Abdel Asis Rantisi die Liquidierungen fortsetzen. Die radikal-islamische Hamas-Bewegung hatte am Dienstag nach dem israelischen Raketenangriff in Gaza blutige Vergeltung geschworen.

Scharon sagte, die Armee werde "weiterhin überall gegen den Terrorismus vorgehen". Aus israelischen Sicherheitskreisen verlautete, keiner der Hamas-Führer sei von nun an immun, selbst der Organisationsgründer Scheich Ahmed Jassin stelle ein mögliches Ziel dar.

Während einer Kabinettssitzung in Jerusalem wies Scharon die massive Kritik aus aller Welt zurück und sagte, er sehe die Militäroperationen nicht als Hindernis für eine Friedenslösung. Sie verbesserten sogar die Chancen für einen Frieden, weil es keine Fortschritte bei den Verhandlungen geben könne, solange der Terror andauere, meinte der Premier.

"Keine Kompromisse im Kampf gegen Terror"

Scharon betonte, er habe den USA und den Palästinensern noch vor dem Gipfel in Akaba klar mitgeteilt, dass er "im Kampf gegen den Terror zu keinen Kompromissen bereit" sei.

Israelische Kampfhubschrauber hatten am Dienstag den Fahrzeugkonvoi von Rantisi mit mehreren Raketen beschossen. Er entkam leicht verletzt. Drei Palästinenser - darunter eine Mutter und ihre kleine Tochter - wurden aber getötet und 60 Menschen verletzt.

Drei weitere Zivilisten, darunter erneut ein Kind, wurden kurz darauf getötet, als Soldaten ein Stadtviertel nordöstlich von Gaza beschossen. Die Armee antwortete damit auf den Beschuss der israelischen Stadt Sderot mit fünf Kleinraketen des Typs "Kassam".

Darüber hinaus hatten palästinensische Extremisten am Sonntag vier Israelis am Grenzposten Eres im Gazastreifen erschossen.

Helle Empörung und tiefe Besorgnis

Die Palästinenser reagierten mit heller Empörung auf die neuen Militäraktionen und warfen Israel vor, die Verwirklichung des internationalen Nahost-Friedensplans zu torpedieren.

US-Präsident George W. Bush äußerte sich "tief besorgt". Er forderte alle Staaten auf, Terroristen nicht finanziell zu unterstützen. "Diejenigen, die so sehr hassen, dass sie bereit sind zu töten", müssten isoliert werden, sagte Bush, sichtlich wütend. "Für die Menschen in der Welt, die Frieden in Nahost wollen, fordere ich Sie alle dringend auf, den Terror zu bekämpfen", sagte Bush.

Arafat fordert Ende der Gewalt

Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat am Mittwochabend eindringlich zu einem sofortigen Stopp der neuen Welle der Gewalt in Nahost aufgerufen.

Vor Journalisten in Ramallah forderte Arafat alle palästinensischen Fraktionen dazu auf, alle Anschläge und Überfälle auf Israelis zu unterlassen. "Die Region erlebt gegenwärtig eine nie da gewesene Eskalation" sagte der Präsident und warnte vor "den ernsthaftesten Konsequenzen" des neuen Gewaltausbruchs. Die Gewalt drohe "alle Bemühungen um eine Wiederbelebung des Friedensprozesses zu zerstören".

Arafat betonte, er verurteile den Selbstmordanschlag in Jerusalem ebenso wie die israelischen Luftangriffe in Gaza.

Mubarak: Zusammenarbeit absolut notwendig

Auch der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman bemühte sich am Mittwoch während eines Besuchs in Ramallah um eine Beruhigung der gespannten Lage in den Palästinensergebieten. Er traf mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Ministerpräsident Mahmud Abbas und Sicherheitschef Mohammed Dachlan zusammen. Anschließend verließ der Arafats Hauptquartier mit einem Brief an den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak.

Mubarak forderte Scharon am Mittwoch dringend dazu auf, mit Abbas zusammenzuarbeiten. Dies sei absolut notwendig, um Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu erreichen, sagte er in Kairo bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Er sei schockiert über den Attentatsversuch gegen Rantisi, fügte Mubarak hinzu und rief beide Seiten auf, die Spirale von "Gewalt und Gegengewalt" zu beenden.

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: