Nahost:Palästinenser wählen Abbas zum Nachfolger Arafats

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Prognosen zufolge gewann der als gemäßigt geltende PLO-Chef Mahmud Abbas die Präsidentenwahl mit rund 66 Prozent. Ein derart deutlicher Sieg würde die Position des 69-Jährigen in Verhandlungen mit Israel und den radikalen Gruppen stärken.

Ein israelischer Regierungssprecher wertete die Wahl als Zeichen für Veränderungen in der Einstellung der Palästinenser.

Zwei unterschiedliche Prognosen, die am Sonntagabend kurz nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht wurden, sahen Abbas weit vor seinem wichtigsten Kontrahenten Mustafa Barghuti. Das Palästinensische Institut für Politik und Meinungsforschung teilte auf der Basis von Nachfragen bei 10.000 Wählern mit, Abbas habe 66 Prozent, Barghuti 19,7 Prozent erhalten.

In einer Erhebung der An-Nadschah-Universität von Nablus kam Abbas auf 69,5 Prozent, auf Barghuti entfielen 24,5 Prozent. Die zweite Prognose stützte sich auf die Befragung von mehr als 5.000 Wählern.

Hoffnungen auf einen Neubeginn

Abbas, der auch Abu Masen genannt wird, setzte sich im Wahlkampf für eine rasche Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Israel ein, stellte sich in den vergangen Tagen aber auch demonstrativ hinter militante Gruppen. Er ging als klarer Favorit ins Rennen um die Nachfolge des verstorbenen Jassir Arafat.

Raanan Gissin, Berater des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon sagte, Abbas' Positionen seien bekannt. Er sei gegen den bewaffneten Aufstand. "Natürlich begrüßen wir das und hoffen, dass Abu Masen das palästinensische Volk mit diesem Mandat auf den Pfad der Versöhnung führt", sagte Gissin. Scharon wolle sich nach der Wahl mit dem neuen palästinensischen Präsidenten treffen.

Verbunden war die Wahl am Sonntag mit großen Hoffnungen auf einen pragmatischen Neubeginn. Abbas sagte bei der Stimmabgabe, der reibungslose Ablauf zeige, dass die Palästinenser auf dem Weg zur Demokratie seien.

Wegen der hohen Wahlbeteiligung wurde die Öffnung der Wahllokale um zwei Stunden nach hinten verschoben. Rund 1.000 Wahllokale waren im Westjordanland und im Gazastreifen geöffnet. Am Nachmittag stürmten fünf Bewaffnete in ein Wahlbüro in Ramallah und feuerten in die Luft.

"Es ist sehr verwirrend"

Sie waren nach offiziellen Angaben wütend, weil mehrere ihrer Angehörigen angeblich nicht als wahlberechtigt registriert waren. Die Männer konnten beruhigt werden und verließen das Büro. Es gab keine Verletzten. Organisationsmängel wurden lediglich aus Jerusalem gemeldet.

Nur 5.000 der 120.000 Palästinenser dort durften ihre Stimme auf israelischen Postämtern abgeben. Die Mehrheit war gezwungen, die Stadt zu verlassen und in den Vororten zu wählen.

Viele Palästinenser erfuhren erst auf den Postämtern, dass sie nicht auf den Wahllisten standen. "Es ist sehr verwirrend", sagte der frühere US-Präsident Jimmy Carter, der eine Delegation amerikanischer Wahlbeobachter leitete.

Mit Beginn der Wahl lockerten die israelischen Streitkräfte wie angekündigt die Reisebeschränkungen in den Autonomiegebieten. In vielen Orten war die Stimmung bei der ersten Präsidentschaftswahl seit 1996 feierlich. "Ich bin gekommen, weil ich eine Zukunft will", sagte die 26 Jahre alte Hiba Hikmat, die als eine der ersten ihre Stimme in einer Schule in Gaza-Stadt abgab.

"Ich will Frieden und Hoffnung nach dieser langen Zeit des Leidens." Darum habe sie Abbas gewählt. Insgesamt waren 1,8 Millionen Palästinenser wahlberechtigt.

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