Nahost-Krise:Israel entführt Minister der Hamas-Regierung

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Der israelische Minister Ben Elisier hatte erklärt, Israel sei in der Lage, das halbe Kabinett der Hamas-Regierung zu entführen - ein Drittel der Minister ist nun tatsächlich in der Gewalt der israelischen Armee. Ein entführter israelischer Siedler wurde inzwischen ermordet aufgefunden.

Israel hat bei einer nächtlichen Festnahmeaktion im Westjordanland ein Drittel der Minister der radikal-islamischen Hamas-Regierung festgenommen. Nach palästinensischen Angaben zwang die Armee in der Nacht zum Donnerstag insgesamt acht Minister zum Mitkommen.

Weitere Angriffe: Israels Armee setzte ihre Offensive am Morgen fort. (Foto: Foto: AFP)

Entgegen ersten Berichten war darunter jedoch nach palästinensischen Angaben nicht der stellvertretende Ministerpräsident Nasser al-Schair.

Bei der Festnahmeaktion im Westjordanland seien neben den Ministern 22 Hamas-Abgeordnete festgenommen worden, hieß es aus palästinensischen Kreisen. Bei den restlichen Festgenommenen handele es sich um Aktivisten der Palästinenserorganisation.

Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, insgesamt halte das Militär 64 Palästinenser fest.

Der israelische Minister Benjamin Ben Elisier hatte erst am Mittwoch gesagt, Israel sei in der Lage, das halbe Kabinett der Hamas-geführten Regierung zu entführen.

Entführter Siedler erschossen aufgefunden

Bei Ramallah wurde in der Nacht die Leiche eines am Sonntag verschleppten israelischen Siedlers gefunden.

Die radikale Palästinensergruppe Volksbefreiungskomitee hatte gedroht, den 18-jährigen Elijahu Ascheri aus der Siedlung Itamar zu töten, sollte die in der Nacht zum Mittwoch begonnene israelische Armeeoffensive im Gazastreifen nicht beendet werden.

Zu dem Zeitpunkt war der Entführte aber offenbar schon länger tot. Die Entführer hätten ihn mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe getötet, hieß es.

"Offener Krieg" Der Vizepräsident des Palästinenserparlaments, der Hamas-Abgeordnete Ahmed Bahar, sagte, die Festnahmen der Hamas-Mitglieder seien "ein offener Krieg gegen die Regierung und das Volk, der auf die Zerstörung der Regierung zielt".

"Wir verurteilen diese Festnahmen und halten die israelische Regierung für die Folgen dieser gefährlichen Aggression verantwortlich", sagte Bahar. Er forderte die internationale Gemeinschaft zum Einschreiten auf.

Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen

Am frühen Donnerstagmorgen feuerte ein israelischer Kampfjet Raketen in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ab. Verletzt wurde offenbar niemand.

Die israelischen Streitkräfte erklärten, insgesamt seien drei Luftangriffe geflogen worden. Ziel seien Straßen gewesen, um den Bewegungsspielraum der Entführer des israelischen Soldaten einzuschränken.

Auch die islamische Universität von Gaza geriet nach Berichten von Augenzeugen unter Beschuss. Eine von einem israelischen Kampfjet abgefeuerte Rakete habe ein Loch in einen Hof innerhalb des Universitätsgeländes geschlagen, hieß es.

Die 60 Wachleute wurden evakuiert. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte schlug eine Rakete in ein freies Feld neben der Hochschule ein.

Israel hatte die Offensive im Gazastreifen in der Nacht zum Mittwoch gestartet, weil Palästinenser einen israelischen Soldaten in ihre Gewalt gebracht hatten. Mit der Militäraktion will die Armee den Soldaten befreien.

Nach der Offensive im Süden des Gazastreifens rückte die israelische Armee auch in den Norden des Palästinensergebiets ein. Rund 30 Panzer seien etwa 600 Meter weit in das Gebiet östlich der Stadt Dschabalijah eingedrungen, sagte ein palästinensischer Sicherheitsvertreter.

Annan appelliert an Konfliktparteien

UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich besorgt über die jüngste Entwicklung.

Er habe mit den Regierungen im Nahen Osten telefoniert und sie gebeten, sich zurückzuhalten, sagte Annan am UN-Sitz in New York. Er hoffe, dass der von radikalen Palästinensern entführte israelische Soldat "wohlbehalten" freikomme, sagte Annan.

Die betroffenen Parteien sollten "beschwichtigende Maßnahmen" ergreifen und dafür sorgen, dass die Lage nicht weiter eskaliere. Annan hatte sich vor der Entführung der Hamas-Minister und dem Fund der Leiche geäußert.

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