Nahost-Konflikt:Militäreinsatz als Wahlspot

Israelische Soldaten stürmen ein palästinensisches Gefängnis, daraufhin nehmen militante Palästinenser westliche Geiseln: Die jüngste Gewalt in Nahost erscheint als Eigen-PR des amtierenden Regierungschefs Ehud Olmert. Ein Kommentar von Thorsten Schmitz

Nach der Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechawam Seewi durch eine palästinensische Terrorgruppe hatten Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde eine Vereinbarung getroffen, die für Israel untypisch war:

Die Mörder müssten nicht ausgeliefert werden, solange sie in einem palästinensischen Gefängnis unter internationaler Beobachtung einsitzen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Israel mit der Geduld am Ende war. Jetzt haben Soldaten die Haftanstalt gestürmt.

Die Gefangenen hatten so viele Besuche empfangen wie sie wollten und sie organisierten per Handy den gewaltsamen Kampf gegen Israel. Palästinenserpräsident Machmud Abbas stellte zuletzt sogar die Freilassung der Mörder in Aussicht.

Rachedurst mit ungewissen Folgen

Dass Israel diese lieber in einer seiner Haftanstalten hätte, ist verständlich. Ob die Erstürmung des Gefängnisses in Jericho aber nicht nur den Rachedurst stillt, sondern auch helfen kann, die Region zu befrieden, darf dagegen bezweifelt werden.

Zudem geschah die Militäraktion derart knapp vor der israelischen Parlamentswahl, dass er als Eigen-PR des amtierenden Regierungschefs Ehud Olmert interpretiert werden muss.

Der uncharismatische Nachfolger von Ariel Scharon will dessen Ruf als Hardliner und Vater der Nation übernehmen. Die Erstürmung des Gefängnisses und ihre mediale Verbreitung ist somit für Olmert auch ein Wahlkampfspot.

Diesen hat er am selben Tag noch mit einer Visite in der jüdischen Großsiedlung Ariel im Westjordanland garniert, wobei er die Eingliederung der Stadt nach Israel versprochen hat.

Olmert mag mit dem gestrigen Tag Stimmen gewonnen haben. Sicher ist aber auch eine Reaktion palästinensischer Terroristen.

© SZ vom 14.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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