Nahost:Kidnapping beim Kaffee trinken

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Im Gazastreifen sind nach palästinenischen Angaben fünf französische Staatsbürger verschleppt worden. Unmittelbar zuvor waren bereits zwei hohe palästinensische Sicherheitsbeamte entführt worden.

Die zwei Frauen und drei Männer seien am Freitagabend von bewaffneten Palästinensern in Chan Junis gekidnappt worden, verlautete aus Sicherheitskreisen. Die Franzosen seien beim Kaffee trinken überrascht worden. Zuvor sollen sie sich zu einem Rundgang im Flüchtlingslager Chan Junis aufgehalten haben. Die Franzosen hatten in Chan Junis am Aufbau eines neuen Elektrizitätsnetzes gearbeitet.

Augenzeugen berichteten, die fünf seien in ein Gebäude des Roten Halbmonds gebracht worden, das von Bewaffneten umstellt gewesen sei.

Unmittelbar zuvor waren bereits zwei ranghohe palästinensische Sicherheitsbeamte im Gazastreifen gekidnappt worden. Bewaffnete Palästinenser brachten zunächst den Polizeichef für das Westjordanland und den Gazastreifen in ihre Gewalt.

Entführer sollen entlassene Polizisten sein

Wenige Stunden später wurde Ghasi Dschabali wieder freigelassen. Am Abend wurde dann Oberst Chaled Abu Alula, der Leiter der militärischen Koordination im Süden des Gazastreifens, aus seinem Auto heraus entführt.

Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde von Präsident Jassir Arafat erklärten, sie hätten Dschabalis Freilassung in Verhandlungen erreicht. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Augenzeugen berichteten, die Täter hätten den Wagen Dschabalis fünf Kilometer südlich der Stadt Gaza angegriffen und sich einen Schusswechsel mit seinen Leibwächtern geliefert. Dann hätten die Angreifer die Scheiben des Wagens zerschlagen und den Polizeichef verschleppt.

Dschabali sei ins Flüchtlingslager Bureidsch in der Mitte des Gazastreifens gebracht worden, sagten Anwohner des Lagers. Bei den Geiselnehmern handele es sich um Extremisten des Komitees des palästinensischen Volkswiderstandes.

Nach einem Bericht des israelischen Rundfunks wurde Dschabali entführt, weil er sich weigerte, Palästinenser aus dem Lager Bureidsch in die Polizeitruppe aufzunehmen.

Bei den Entführern Alulas handelte es sich nach Verlautbarungen aus Sicherheitskreisen in Gaza um palästinensische Polizisten, die vor kurzem ihren Job verloren hatten. Sie hätten Alula am Freitag noch einmal um Hilfe für ihre Wiedereinstellung gebeten, was dieser jedoch abgelehnt habe.

Die Entführung Dschabalis könnte indessen Teil eines Machtkampfes unter diversen palästinensischen Gruppen gewesen sein, die vor dem geplanten israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen um ihren Einfluss kämpfen. Schon im April war der Polizeichef Ziel eines Anschlages, bei dem Unbekannte eine Bombe an seiner Haustür befestigten. Er blieb jedoch unversehrt.

Dschabali gilt als Mann Arafats, der dessen Befehle ausführt und gegen Abweichler vorgeht. Der Polizeichef hat sich unter den Palästinensern viele Feinde geschaffen. Er gilt als korrupt, hat sich aber zugleich einen Namen für eine straffe Führung gemacht.

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