Nahost:Iran droht mit "Rache Gottes"

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Die Hinrichtung eines oppositionellen Schiiten in Saudi-Arabien verschärft die Spannungen am Persischen Golf dramatisch.

Von T. Avenarius, München

Die Hinrichtung eines schiitischen Oppositionsführers in Saudi-Arabien verschärft die Spannungen zwischen den beiden muslimischen Führungsnationen dramatisch: Saudi-Arabien und Iran tauschen seit dem Wochenende Drohungen aus. In Teheran griffen Demonstranten die saudische Botschaft an, Irans Geistlicher Führer schwor der Sunniten-Vormacht die "Rache Gottes". Riad brach nach den Vorfällen die diplomatischen Beziehungen zu Iran ab, Außenminister Adel al-Dschubeir sagte am Sonntag, alle iranischen Diplomaten müssten binnen 48 Stunden Saudi-Arabien verlassen. Die Eskalation könnte international Folgen haben: Die beiden Staaten sind die Regionalmächte am Persischen Golf, der für den Ölexport wichtigsten Wasserstraße weltweit.

Zudem könnte der Streit die begonnenen Friedensgespräche für Syrien bedrohen. Iraner wie Saudis haben großen Einfluss auf die Kriegsparteien. Der seit Langem schwelende Streit zwischen den Regionalmächten war eskaliert, nachdem Saudi-Arabien am Samstag 47 Oppositionelle und angebliche Terroristen hatte hinrichten lassen. Einige waren sunnitische al-Qaida-Extremisten. Unter den Hingerichteten befand sich der schiitische Scheich Nimr Bakr al-Nimr, ein Führer der saudischen Schiiten bei deren Aufstand 2012. Die wegen Terrorismus, Waffenbesitz und Aufrührertum Verurteilten wurden nicht öffentlich enthauptet wie in Saudi-Arabien üblich. Sie wurden in Gefängnissen in zwölf Städten erschossen oder geköpft. Einige Leichen wurden öffentlich ausgestellt.

Nach Bekanntwerden der Exekutionen stürmten Demonstranten die saudische Botschaft in Teheran und legten Feuer. Irans Geistlicher Führer Ali Chamenei schien sich hinter sie zu stellen: "Zweifellos wird das zu Unrecht geflossene Blut dieses Märtyrers Folgen haben, und die saudischen Führer werden die Rache Gottes spüren." Präsident Hassan Rohani, in der Rangfolge nach dem Geistlichen Führer, verurteilte die Exekutionen, der "Angriff von Extremisten" auf die Botschaft sei aber "nicht zu rechtfertigen".

Der 56-jährige Nimr hatte großen Einfluss auf die Schiiten im erdölreichen Osten Saudi-Arabiens. Er hatte das Königshaus wegen Benachteiligung der circa 20 Prozent umfassenden Schiiten-Minderheit kritisiert und die Loslösung der Schiitenregion gefordert. Die Behörden sahen in dem Geistlichen den Handlanger Irans. Internationale Menschenrechtler betonten, dass Nimr als Oppositioneller nie zu Gewalt aufgefordert habe.

Auch in anderen schiitisch geprägten Ländern gab es Protest: Im Irak gingen Hunderte Menschen auf die Straße und forderten die Schließung der saudischen Botschaft in Bagdad. Auch in Bahrain und im indischen Teil Kaschmirs demonstrierten Tausende.

Kritik hagelte es auch in der nicht-islamischen Welt. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es: "Die Hinrichtung von Nimr al-Nimr verstärkt unsere bestehenden Sorgen über zunehmende Spannungen und sich vertiefende Gräben in der Region." Die USA riefen Riad auf, "die Menschenrechte zu respektieren und zu schützen". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte "ernsthafte Zweifel an der Art der Strafen und die Fairness der Verfahren". Saudi-Arabien hat 2015 laut Menschenrechtlern so viele Todesurteile vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr - an 157 Verurteilten.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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