Nahost:Die Welt warnt Israel vor Angriff auf Arafat

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Der Beschluss des israelischen Kabinetts, Palästinenserpräsident Jassir Arafat mit Gewalt aus dem Westjordanland zu "entfernen", ist international auf massive Kritik gestoßen. Das Kabinett ließ es im Unklaren, wann Arafat entfernt werden solle und ob damit eine Verbannung oder Tötung gemeint sei.

Von Thorsten Schmitz

(SZ vom 13.9. 2003) - Die USA, die EU, die Vereinten Nationen und die Arabische Liga warnten Israel vor einer Entfernung Arafats.

Tausende Palästinenser demonstrierten vor dessen Amtssitz in Ramallah. Der designierte Ministerpräsident Achmed Kurei drohte mit dem Abbruch seiner Regierungsbildung.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, sagte am Freitag, eine Entfernung Arafats aus den Palästinensergebieten könne "keine Lösung" sein.

Diese würde dem Palästinenserpräsidenten nur eine "Tribüne geben", um sich zu äußern. Boucher erinnerte daran, dass die USA Arafat zwar als "Teil des Problems" betrachteten, gleichwohl bleibe die Haltung von US-Außenminister Colin Powell unverändert, der sich mehrmals gegen eine Verbannung von Arafat ausgesprochen hatte.

"Schwerer Fehler"

Der französische Außenminister Dominique de Villepin bezeichnete Israels Entscheidung als "schweren Fehler". Auch der britische Außenminister Jack Straw bezeichnete den Beschluss als "falsch".

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana äußerte seine "tiefe Besorgnis". Ein Sprecher der EU-Kommission sagte in Brüssel: "Dies wird ein schrecklicher Fehler sein, der ernsthafte Konsequenzen in der gesamten Region haben wird". UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, es wäre "unklug, Arafat auszuweisen".

Die russische Regierung, die an der Ausarbeitung des Nahost-Friedensfahrplans mitgewirkt hat, sprach von einem "ernsten politischen Fehler". Die chinesische Regierung schloss sich der Kritik an.

Ein Sprecher der Arabischen Liga sagte, der Kabinettsbeschluss komme "einer Kriegserklärung an den Friedensprozess gleich."

Schröder reist nach Nahost

Das deutsche Außenministerium erklärte, die Entscheidung sei "nicht geeignet, die ohnehin gespannte Lage zu stabilisieren".

Regierungssprecher Bela Anda kündigte an, Bundeskanzler Gerhard Schröder werde Anfang Oktober Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate besuchen. Dabei solle auch über den Nahost-Konflikt gesprochen werden.

Der designierte palästinensische Ministerpräsident Achmed Kurei drohte mit einem Abbruch der Regierungsbildung, sollte Israel seine Entscheidung nicht zurücknehmen. Kurei wollte ursprünglich an diesem Wochenende sein neues Kabinett im Parlament zur Abstimmung vorstellen.

"Das ist meine Heimat"

Arafat selbst kommentierte in der Nacht zu Freitag Israels Beschluss ungerührt mit den Worten: "Das ist meine Heimat. Niemand kann mich hinauswerfen."

Vor Tausenden Anhängern ließ er sich vor seinem Amtssitz in Ramallah feiern. In fast allen Palästinenser-Städten des Westjordanlandes sowie im Gaza-Streifen kam es zu Solidaritätsdemonstrationen.

Die Entscheidung des Sicherheitskabinetts, bei der israelischen Medienangaben zufolge auch über eine Tötung Arafats debattiert worden sein soll, wurde auch in Israel kritisiert.

Der frühere Außenminister Schimon Peres, der sich den Friedensnobelpreis mit Arafat für die Unterzeichnung des Osloer Friedensabkommens teilt, sagte, Arafat zu verbannen, sei ein "schwerer Fehler". Außerhalb seines Hauptquartiers sei Arafat "schädlicher" als zur Zeit in Ramallah.

Nach zwei palästinensischen Selbstmordanschlägen mit 15 Toten war auf einer mehrstündigen Sondersitzung des israelischen Sicherheitskabinetts unter Führung von Regierungschef Ariel Scharon mit nur einer Gegenstimme beschlossen worden, dass mit Arafat keine Einigung über einen Frieden erzielt werden könne.

Dieser sei daher mit Gewalt aus den Palästinensergebieten zu entfernen.

Die Minister beauftragten Verteidigungsminister Schaul Mofas damit, einen Plan zu erarbeiten, wie und wann Arafat aus Ramallah entfernt werden könne.

Das anschließend veröffentlichte Kommuniqué beließ es im Unklaren, ob mit einer Entfernung die Ausweisung Arafats gemeint sei, eine Inhaftierung oder eine Tötung.

Regierungschef Scharon habe sich gegen eine Tötung ausgesprochen und auf sein Versprechen gegenüber US-Präsident George W. Bush hingewiesen, Arafat unversehrt zu lassen.

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