Nahost:"Barguti will kandidieren"

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Trotz lebenslanger Haft will der Palästinenserführer offenbar Arafat nachfolgen.

Der in Israel inhaftierte Palästinenserführer Marwan Barguti will offenbar aus dem Gefängnis heraus für das Amt des Palästinenserpräsidenten kandidieren. Der 45-Jährige, der wegen Beteiligung an Anschlägen eine lebenslange Haftstrafe absitzt, habe sich entschieden, bei der Wahl am 9. Januar anzutreten, sagte ein Sprecher der palästinensischen Fatah-Bewegung und berief sich auf den Anwalt Bargutis.

Barguti würde bei einer Kandidatur den als gemäßigt geltenden früheren Ministerpräsidenten Machmud Abbas herausfordern, den das Zentralkomitee der Fatah am Montag offiziell nominiert hatte. Am 9. Januar sollen die Palästinenser einen Nachfolger für den verstorbenen Jassir Arafat wählen.

Israels Ministerpräsident Ariel Scharon hatte jüngst Medienberichte zurückgewiesen, denen zufolge Barguti für eine Kandidatur freikommen könnte. Barguti bestreitet seine Schuld. Er ist einer der Anführer des seit 2000 andauernden jüngsten Aufstands der Palästinenser gegen Israel.

Verwirrung in Brüssel

Mit einer Verschärfung der Regierungskrise in Israel geriet Scharon derweil unter immer stärkeren Druck. Nach der oppositionellen Arbeitspartei forderte am Donnerstag auch sein größter Koalitionspartner, die Schinui-Partei, die Bildung einer großen Koalition. Beide verlangten einen grundlegenden Kurswechsel der Regierung.

Die neue palästinensische Führung bat den britischen Außenminister Jack Straw unterdessen in Jerusalem um mehr internationale Unterstützung des Friedensprozesses in Nahost. Bei israelischen Militäreinsätzen in Hebron und im südlichen Gazastreifen wurden am Donnerstag insgesamt drei Mitglieder der radikal-islamischen Hamas-Bewegung getötet.

Für Verwirrung in Brüssel sorgten unterdessen angebliche Gespräche zwischen der EU und der militanten Palästinenser-Organisation Hamas. Javier Solana, der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik, hatte am Donnerstag in einem Interview mit der BBC eingeräumt, er habe "direkte Kontakte mit Hamas" gehabt. Diese Treffen seien nur kurz gewesen und lägen bereits Monate zurück.

Problematisch daran ist, dass die Hamas seit 2003 von der EU offiziell als "terroristische Organisation" eingestuft wird. Dies verbietet solche Kontakte. Eine Sprecherin von Solana erklärte wenig später, es habe "zu keiner Zeit" direkte Kontakte gegeben. Solana habe sich nur auf "Geräusche und Eindrücke" bezogen, die ihm etwa Vertreter der EU-Mitgliedstaaten übermittelt hätten.

© SZ vom 26.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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