Nachruf:Kämpfer gegen die Sowjet-Diktatur

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Wladimir Bukowski, geboren am 30. Dezember 1942 in der heute russischen Republik Baschkortostan, war einer der bekanntesten Dissidenten der Sowjetunion. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Weil er dem System nicht gehorchte, wurde Wladimir Bukowski viele Jahre inhaftiert und für geisteskrank erklärt. Mit 76 Jahren ist er gestorben.

Von Sonja Zekri

Vor einigen Jahren stand der Verdacht im Raum, Wladimir Bukowski habe Kinderpornografie heruntergeladen. Dass er die Vorwürfe mit dem Argument bestritt, der russische Geheimdienst wolle ihm etwas anhängen, klang haltlos - aber war die Vorstellung ganz von der Hand zu weisen bei diesem Leben? Wladimir Bukowski, 1942 in Belebei bei Ufa in der damaligen Sowjetunion geboren, verkörperte und erlitt über Jahrzehnte fast alles, was das sowjetische Unrechtssystem Andersdenkenden antat. Von der Schule und der Universität wurde er ausgeschlossen, zwölf Jahre verbrachte er in psychiatrischen Anstalten, im Gefängnis oder im Gulag. Das Regime hatte ihn für geisteskrank erklärt. Als er eine Dokumentation über die sowjetische Psychiatrie als Unterdrückungs-Institution in den Westen schmuggelte, beschrieb er auch sein eigenes Schicksal - und für die Infamie des Sowjetregimes war es exemplarisch.

Bukowski war Lyriker, während des "Tauwetters" nach Stalins Tod las er Gedichte auf dem Moskauer Majakowski-Platz. Aber das war nicht das Anstößigste. Vielmehr vervielfältigte er verbotene Bücher im Selbstverlag, im "Samisdat". Als die beiden Autoren Juli Daniel und Andrej Sinjawski verurteilt wurden, weil sie ihre Bücher im Ausland herausgebracht hatten, organisierte Bukowski den Protest für sie. Westliche Künstler wie Arthur Miller und Dustin Hoffman wiederum forderten Bukowskis Freilassung, als er im wieder und wieder verurteilt wurde. Neben Alexander Solschenizyn galt er als bekanntestes Gesicht der sowjetischen Dissidentenszene. Und wie Solschenizyn reiste er schließlich aus - 1976 mit seiner Mutter auf dem Flughafen Zürich ausgetauscht gegen Luis Corvalan, den Anführer der chilenischen Kommunisten, der seit dem Militärputsch 1973 gefangen gehalten wurde.

Bukowski beantragte politisches Asyl in Großbritannien und wurde schließlich britischer Staatsbürger. Er verfolgte aber die Entwicklung in Russland unter Wladimir Putin weiterhin kritisch aus der Ferne. Sein Spielraum war jedoch nicht größer als vorher. Als er 2008 für die Präsidentschaftswahl kandidieren wollte, lehnte die Wahlbehörde seinen Antrag mit der Begründung ab, er habe nicht vor der Wahl zehn Jahre in Russland gelebt. Vorübergehend bekam er einen russischen Pass, der aber 2014 nicht verlängert wurde. Dass er nach Büchern wie "Abrechnung mit Moskau" (1996) im neuen Russland wenig gelitten war, dürfte ihn selbst am wenigstens gewundert haben. Am Sonntag ist er in Cambridge im Alter von 76 Jahren gestorben.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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