Nachruf:Ein Chef, der Orientierung gab

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Josef Riedmiller, geboren 1925, kam 1960 zur SZ. (Foto: Karlheinz Egginger/SZ)

Josef Riedmiller, langjähriger Leiter des SZ-Ressorts Außenpolitik, ist tot. Er hat die SZ mit groß gemacht.

Von Kurt Kister

Josef Riedmiller war einer der Ersten. Das Jahr 1966 geriet für ihn, aber auch für die Süddeutsche Zeitung zu einem Jahr des Umbruchs. Bis dahin hatte die SZ zwar schon einige Auslandskorrespondenten; die aber schrieben in einem sogenannten Pool alle auch für andere Blätter. Von 1966 an besetzte die Zeitung Korrespondentenstellen in wichtigen Hauptstädten mit eigenen Leuten, die exklusiv nur noch für die SZ arbeiteten. Dies war der Beginn eines Korrespondentennetzes, das heute mehrere Dutzend Kolleginnen und Kollegen umfasst.

Im November 1966 siedelte Riedmiller als erster exklusiver SZ-Korrespondent für Russland, pardon: für die Sowjetunion nach Moskau um. Es war dies die Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Leonid Breschnew bestimmte in Moskau die Geschicke; er war der letzte autoritäre Kremlherr altsowjetischer Prägung. Bis 1972 berichtete, analysierte und kommentierte Riedmiller über die damals bipolare Welt - der Westen gegen den Osten - aus Moskauer Sicht. Er tat dies außerordentlich kundig, stets unaufgeregt und mit einer ausgeprägten Fähigkeit, Dinge so zu erklären, dass man sie auch noch gerne las. Er gehörte zu jener kleinen Gruppe von Korrespondenten, die in den großen Zeitungen, im Radio und im Fernsehen damals das Bild vieler Deutschen von der Sowjetunion prägten.

Riedmiller begann die journalistische Laufbahn nach Studium und Volontariat 1952 bei der Isarpost in Landshut, einer kleinen Zeitung, die es schon lange nicht mehr gibt. Zuvor war Riedmiller widerfahren, was viele seines geschlagenen Jahrgangs 1925 erlebt haben, wenn sie denn überhaupt überlebten. 1943 wurde er Soldat, 1945 erlitt er bei Breslau eine schwere Verwundung, die eine Amputation nach sich zog. Die Kriegserfahrungen waren für Riedmiller eine starke Motivation, sich für Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschen, Russen und Polen einzusetzen - auch als Journalist in den Jahrzehnten danach.

Über Redaktionen in Landshut und Würzburg kam Riedmiller 1960 nach München zur SZ. Der aus Holzgünz im bayerischen Schwaben stammende Redakteur schrieb anfangs über eher Regionales, auch über die CSU, der er zeit seines Lebens mit gelegentlich auch freundlicher Distanz gegenüberstand.

Nach seiner Moskauer Zeit trat Riedmiller in die Ressortleitung der Außenpolitik der SZ ein. In dieser Position blieb er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1992. Zwanzig Jahre lang war Riedmiller als Leitartikler und Analytiker, als Fernsehdiskutant und Konferenzteilnehmer die wichtige Stimme der SZ, wenn es um Russland und Osteuropa, um den Kalten Krieg und die Entspannungspolitik, um Rüstung und Rüstungskontrolle ging.

Neben seinem Wirken nach außen war Riedmiller für Dutzende jüngere Kolleginnen und Kollegen ein Chef, der Orientierung und Rat gab. Er war ein uneitler Mensch, was unter Journalisten nicht häufig vorkommt. Als Hierarch beteiligte er sich kaum an den üblichen Konkurrenz-Gockeleien zwischen Ressortleitungen; auch das Selbstbedeutungsgepluster mancher, fast immer männlicher Kollegen war ihm fremd. Man vertraute ihm, sodass es 1987, als er neben seiner Ressortleitertätigkeit auch noch stellvertretender Chefredakteur wurde, große Zustimmung und wenig Neid gab. Vielen, die ihn kannten und die mit ihm arbeiteten, war er ein Vorbild.

Nach seiner Pensionierung blieb Josef Riedmiller Autor der SZ. Er engagierte sich bei der Gesellschaft für Auslandskunde, hielt Vorträge, besuchte Konzerte. Mit seiner Frau Anne traf man ihn im Münchner Gasteig, und auch im höheren Alter trug er noch gerne Hemden mit weißem Kragen.

Josef Riedmiller ist nun mit 93 Jahren in München gestorben. Er gehörte zu denen, die die Süddeutsche Zeitung groß gemacht haben.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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