Nachrichtendienst-Affäre:Verrat im BND

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Die Journalistenaffäre belegt, dass sich eine Vielzahl von Agenten jahrelang über Gesetze erhoben hat. Der Bundesnachrichtendienst verdient gegenwärtig kein Vertrauen mehr - es wird lange dauern, bis der Schaden behoben ist.

Ein Kommentar von Kurt Kister

Geheimdienstler und Journalisten haben manches gemeinsam - zumindest wenn sie auf dem weiten Feld der Informationsbeschaffung tätig sind. Sie stellen Fragen, suchen nach Schriftstücken und müssen wissen, wer gerade welche Interessen hat, sodass er unter Umständen bereit ist, Dinge auszuplaudern.

Der BND hat jahrelang Journalisten auf eigene Faust beschnüffelt - und sich Informanten im Umfeld der Redaktionen besorgt. (Foto: Foto: Reuters)

Bei den Recherchen spielt oft eine große Rolle, dass sich etliche Menschen gerne wichtig machen. Es ist erstaunlich, was man manchmal erfährt, nur weil einem ein Gesprächspartner zeigen will, was er alles weiß. Neben der Wichtigtuerei ist ein bedeutendes Motiv für viele Auskunftgeber, dass sie anderen persönlich schaden wollen.

In diesem Sinne ist der ideale Gesprächspartner für einen Rechercheur ein Mensch mit übersteigertem Selbstbewusstsein, der sich von der Parteichefin oder dem Behördenleiter ungerecht behandelt fühlt.

Über die Grenzen der Medien besteht Konsens

Einer der vielen Unterschiede zwischen Agenten und Journalisten besteht darin, dass Letztere keinen Zweifel daran lassen, für wen sie arbeiten und warum sie ihre Fragen stellen. Es geht ihnen um die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, im idealen Fall um Aufklärung und Teilhabe des Publikums an wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Prozessen.

Über die Rolle, aber auch die Grenzen der Medien besteht Konsens, der sich im Grundgesetz und den Pressegesetzen niedergeschlagen hat. Außerdem gibt es einen entscheidenden Kontrollfaktor: Journalisten arbeiten für die Öffentlichkeit in der Öffentlichkeit. Wenn sie etwas falsch machen, gar verdrehen oder lügen, sehen das Hunderttausende im Fernsehen oder in der Zeitung.

Fehlleistungen der Medien, Gesetzesverstöße gar, bleiben - anders als bei den Geheimdiensten - nie geheim. Der Bundesnachrichtendienst (BND) aber arbeitet im Verborgenen, und selbst die parlamentarische Kontrolle ist lückenhaft bis dürftig.

Bewusst und absichtlich Gesetze gebrochen

Die Pullacher müssten also ein besonders hohes Berufsethos haben. Sie müssten überzeugt davon sein, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt, dass sie nicht lügen und vertuschen dürfen.

Sie müssten sich an jene Gesetze halten, die besagen, dass es bei Ermittlungen gegen Durchstechereien aus den eigenen Reihen enge Grenzen gibt und dass im Inland sehr bald die Staatsanwaltschaft einzuschalten ist. Wäre dies alles so, könnte man Vertrauen haben in den BND. Es ist aber nicht so.

Der Bundesnachrichtendienst verdient gegenwärtig kein Vertrauen mehr. Die aktuelle Journalistenaffäre belegt, dass eine Vielzahl von Agenten und Entscheidungsträgern sich jahrelang über Gesetze erhoben hat.

Die Auslandsgeheimdienstler haben Reporter im Inland auf eigene Faust beschnüffelt und sie haben sich Informanten im Umfeld der Redaktionen besorgt. Sie haben gewusst, dass dies illegal ist, aber sie haben es getan, wohl weil sie sich darauf verließen, dass es ohnehin nicht herauskommen würde. Sie haben bewusst und absichtlich Gesetze gebrochen.

BND in den Schmutz gezogen

Die an dieser Operation Beteiligten haben damit erheblich größeren Schaden angerichtet, als nur die Berufs- und Privatsphäre der ausgeforschten Reporter zu beeinträchtigen. Sie haben das öffentliche Vertrauen in den BND möglicherweise irreparabel gestört.

Ein Geheimdienst aber, der bei Politikern und Bürgern in erster Linie Misstrauen erweckt, kann auch nicht mehr effizient arbeiten. Weil die Methoden der Informationsgewinnung in aller Regel im Dunklen bleiben müssen, ist die Reputation des Geheimdienstes oft das entscheidende Kriterium dafür, ob die "Kunden" vom Kanzleramt über die Ministerien bis hin zur Bundeswehr den Ergebnissen Glauben schenken.

Die BND-Leute also, die mit Richtmikrofonen und bezahlten Journalistenzuträgern ihre Organisation vor Verrätern schützen wollten, haben selbst den großen Verrat begangen: Sie haben den BND in den Schmutz gezogen.

BND-Judas mit Presseausweis

Leider ist es nicht verwunderlich, dass sich unter Journalisten Helfershelfer für die außer Kontrolle geratenen Spione gefunden haben. Gerade im Journalismus wimmelt es von Wichtigtuern. Selbst unter Geheimdienst-Reportern haben einige wenige schon mal Geld von den Schlapphüten angenommen.

In solchen Beziehungen kann sich eine ethisch und professionell fatale Neigung entwickeln, dass Journalisten wie Agenten ihre Gemeinsamkeiten für zu groß halten. Der durchschnittliche BND-Judas mit Presseausweis denunziert nicht wegen des meist kärglichen Soldes, sondern weil er an Decknamen, Konspiration und der Zugehörigkeit zu einer vermeintlichen Elite pubertäre Lust empfindet.

Es wird lange dauern, bis dieser Schaden behoben ist. Dazu beitragen könnte die Freigabe des Berichts des Sonderermittlers des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG).

Öffentlichkeit ist in diesem Fall die richtige Antwort auf heimlichen Gesetzesbruch. Außerdem müssen sich die Beteiligten den Konsequenzen stellen, wozu auch personelle und juristische Schritte gegen pensionierte oder aktive BND-Spitzenleute gehören.

Dazu zählt auch die Durchleuchtung des Wissensstandes jener Beamten und Politiker, die im Kanzleramt für die Dienste zuständig waren.

Wer jetzt glaubt, die Affäre sei mit dem geheimen PKG-Bericht erledigt, setzt die Vertuschung fort.

© SZ vom 17.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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