Nachfolgerin für Paul Spiegel:Charlotte Knobloch neue Präsidentin des Zentralrats der Juden

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Mit der 73-Jährigen ist erstmals eine Frau an die Spitze des Zentralrats gewählt worden. Die Münchnerin erhielt, bis auf eine Enthaltung, alle Stimmen des Gremiums.

Knobloch, die als Kind den Holocaust in einer christlichen Familie überlebte, ist die Nachfolgerin des am 30. April gestorbenen Paul Spiegel.

Die bisherige Vizepräsidentin ist damit die erste Frau an der Spitze der politischen Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Nach ihrer Wahl kündigte sie ein baldiges Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an.

Dabei will Knobloch nach eigenen Angaben eine härtere Haltung der Bundesregierung gegenüber dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sowie einen entschlosseneren Kampf gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus anmahnen. Als weitere vorrangige Aufgabe in ihrem neuen Amt nannte sie die Integration der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

"Prima inter Pares"

Der zunächst für die Nachfolge Spiegels favorisierte Frankfurter Architekt Salomon Korn kandidierte nicht und bleibt Vizepräsident des Zentralrats. Zum weiteren Vizepräsidenten wurde der ebenfalls aus Frankfurt kommende Finanzexperte Dieter Graumann gewählt.

Alle drei betonten, das neue Präsidium verstehe sich als Kollegialorgan und werde arbeitsteilig vorgehen. Korn wies darauf hin, dass sich Spiegel als "Primus inter Pares" verstanden habe und zeigte sich überzeugt, dass Knobloch ihrerseits als "Prima inter Pares" (Erste unter Gleichen) fungieren werde. Mit der 1932 in München geborenen Notarstochter wurde vermutlich zum letzten Mal eine Überlebende des Holocausts an die Spitze des Zentralrats gewählt. Ihre Großmutter wurde in Auschwitz ermordet, und Knobloch selbst fand während der Nazi-Zeit Zuflucht auf dem Bauernhof einer katholischen Haushälterin in Franken.

Knobloch hatte bereits zum zweiten Mal für das Amt kandidiert: Im Januar 2000 wollte sie die Nachfolge des im August 1999 gestorbenen Ignatz Bubis antreten, unterlag damals aber in einer Kampfabstimmung Paul Spiegel. Für Knobloch rückt als Vizepräsident neben Salomon Korn aus Frankfurt Dieter Graumann nach, der ebenfalls aus der Mainmetropole kommt.

Der Zentralrat als höchste politische und religiöse Repräsentanz der jüdischen Gemeinschaft spricht für die etwa 100.000 Juden in Deutschland. Die Zahl hat sich in den vergangenen Jahren vor allem durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion deutlich erhöht. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust lebten etwa 600.000 Juden in Deutschland.

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