Nach Wahlschlappe seiner Partei:Ungarns Regierungschef stellt Vertrauensfrage

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Ferenc Gyurcsany geht aufs Ganze: Nach der Niederlage seiner Sozialisten bei den Kommunalwahlen will er am Freitag im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Wie angespannt die Lage weiterhin ist, zeigte die Wahlnacht.

Er werde sein Regierungsprogramm, darunter vor allem seine geplanten Wirtschaftsreformen, zur Abstimmung stellen, kündigte Gyurcsany in Budapest an.

Allgemein gilt es als sicher, dass er die Abstimmung gewinnen wird: Seine sozialliberale Koaltion verfügt über eine komfortable Mehrheit im Parlament und hatte ihm bereits in der Wahlnacht Unterstützung zugesichert.

Gyurcsanys Sozialisten und die mit ihm verbündeten Liberalen hatten am Sonntag die Mehrheit der Regionalparlamente und die meisten Bürgermeisterämter in den großen Städten an die rechtskonservative Fidesz und ihren christdemokratischen Verbündeten verloren.

Knapp 38 Prozent für Regierungsblock

Die Opposition hatte die Wahl als Stimmungstest für den sozialistischen Regierungschef nach seiner "Lügenaffäre" gesehen und wiederholt seinen Rücktritt gefordert. Der parteiunabhängige konservative Präsident Laszlo Solyom rief das Parlament zu einem Misstrauensvotum auf.

Gyurcsany hatte die Rücktrittsforderungen allerdings zurückgewiesen. "Wir werden unsere Politik fortsetzen, ich eingeschlossen", sagte er im staatlichen Fernsehen.

Er sah in der Wahl keine Strafaktion für seine Lügen, sondern für seine harte Sparpolitik: "Diejenigen, die eine derartige Politik einleiten, werden sehr schnell unpopulär", sagte er.

Laut Innenministerium gewann die oppositionelle Fidesz unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Viktor Orban in 18 von 19 Komitaten sowie in den meisten der 23 Großstädten die Mehrheit.

Nur 38 Prozent

Budapest wird jedoch weiter vom liberalen Bürgermeister Gabor Demszky regiert. Insgesamt lagen die Rechtskonservativen und ihre Verbündeten bei knapp 53 Prozent, der Regierungsblock kam nur noch auf knapp 38 Prozent.

Bei den Wahlen vor vier Jahren war das Verhältnis noch umgekehrt, damals dominierten Sozialisten und Liberale in 15 der 19 Regionalparlamente sowie in Budapest. In der Haupstadt leben rund zwei Millionen Menschen, das ist rund ein Fünftel der ungarischen Bevölkerung.

Überschattet wurden die Wahlen von der "Lügenaffäre": Vor zwei Wochen waren Tonbandaufnahmen von einem parteiinternen Auftritt Gyurcsanys aufgetaucht, in dem der Regierungschef einräumte, die Bevölkerung vor der Parlamentswahl bewusst über den Zustand der Wirtschaft getäuscht zu haben -nach seinem Wahlsieg im April verpasste der sozialistische Regierungschef dem Land ein rigoroses Sparprogramm.

Die Enthüllungen lösten tagelange heftige und teilweise gewalttätige Protestkundgebungen der Opposition und des rechtsextremen Lagers aus. Auch am gestrigen Wahltag hatten wieder 10.000 Menschen in Budapest demonstriert.

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