Nach schwerer Abstimmungsniederlage im Senat:Regierung Prodi reicht Rücktritt ein

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Der Streit über Afghanistan-Einsatz stürzt Italiens Mitte-links-Bündnis in die Krise - Staatspräsident Napolitano bestellt die Parteiführer ein.

Nach nur neun Monaten im Amt hat die Regierung von Italiens Ministerpräsidenten Romano Prodi am Mittwochabend ihren Rücktritt eingereicht. Anlass war eine Abstimmungsniederlage des Mitte-links-Bündnisses im Senat, bei der es um die Grundlinien der Außenpolitik und den Afghanistan-Einsatz ging. Linke Senatoren verweigerten Prodi die Gefolgschaft.

Staatspräsident Giorgio Napolitano, der über den Rücktritt entscheiden muss, will mit den Koalitionsparteien an diesem Donnerstag über weitere Schritte beraten. Vorerst forderte er Prodi auf, die Amtsgeschäfte weiterzuführen. Zuvor hatte der Premier eine wichtige Abstimmung im Senat verloren. Bei dieser ging es um die grundlegenden Linien der Außenpolitik und den Afghanistan-Einsatz.

Das Votum galt als wichtiger Test für die Regierung, da diese im Senat nur eine Mehrheit von einem Sitz hält. Außenminister Massimo D'Alema hatte zuvor gesagt, die Regierung werde im Falle einer Niederlage möglicherweise zurücktreten, obwohl es sich nicht um eine Vertrauensabstimmung handelte.

Für den Antrag votierten 158 Senatoren - zwei weniger, als für eine Mehrheit nötig gewesen wären. Mitglieder von pazifistischen und linken Parteien der Koalition verweigerten Prodi die Zustimmung. Viele enthielten sich, was wie Nein-Stimmen gewertet wird. Sie sind gegen eine Fortführung des militärischen Engagements in Afghanistan und die geplante Erweiterung eines US-Militärstützpunkts in Vicenza.

Staatspräsident Napolitano kann das Parlament nun auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Er könnte Prodi aber auch bitten, sich einer Vertrauensabstimmung in beiden Parlamentskammern zu stellen oder ein neues Bündnis und eine neue Regierung zu bilden. Im Gespräch ist auch eine reine "Techniker-Regierung" mit Experten aus beiden großen politischen Lagern, die das Land bis zu möglichen Neuwahlen führen könnte.

Prodis Mitte-links-Koalition vereint seit April Parteien vieler Lager, von Christdemokraten bis Kommunisten. Wegen der nur hauchdünnen Mehrheit im Senat hatten Beobachter der Regierung keine lange Lebensdauer vorausgesagt. Um Mehrheiten zu erreichen, hatte der Premier in den vergangenen Monaten mehrfach Abstimmungen über Gesetze mit einer Vertrauensfrage verbunden.

Tumulte im Senat

Nach der Abstimmung kam es zu tumultartigen Szenen im Senat. Die Opposition forderte lautstark Prodis Rücktritt. "Es gibt keine Mehrheit mehr. Die Prodi-Regierung existiert nicht mehr", sagte Renato Schifani von der Partei Forza Italia des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi. "Die Prodi-Regierung ist in dieser Kammer zerfallen."

Die Zukunft der Mission in Afghanistan sorgt seit Wochen für Turbulenzen im Regierungsbündnis. Italien hat 1900 Soldaten in Afghanistan stationiert, die vom früheren Ministerpräsidenten Berlusconi entsandt wurden. Prodi hatte sich bereit erklärt, die Truppen dort zu belassen. Die Kommunisten verlangen jedoch, sie abzuziehen und der Forderung der Nato zu widerstehen, das Kontingent aufzustocken.

Prodi hatte als Kompromiss vorgeschlagen, dass die Soldaten mehr zivile Aufbauhilfe leisten sollen. Zudem würden sich die Truppen aus der Nato-Mission "Enduring Freedom" zurückziehen. Außenminister D'Alema hatte den Kommunisten zugesichert, dass er die Idee einer Friedenskonferenz für Afghanistan vorantreiben werde.

Die Erweiterungspläne für den US-Stützpunkt in Vicenza hatten zuletzt öffentliche Proteste ausgelöst. Zehntausende Italiener demonstrierten am Wochenende gegen das Vorhaben. Prodi hatte dennoch erklärt, dass die Regierung an ihrer Zustimmung zu dem Ausbau festhalten werde. Der Stützpunkt der 173. Luftlande-Brigade soll auf die doppelte Größe erweitert werden, damit der Verband von 2750 auf 4500 Soldaten aufgestockt werden kann.

© SZ vom 22. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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