Nach Rücktritt des Präsidenten:UN-Sicherheitsrat schickt Truppen nach Haiti

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Kanadische und amerikanische Soldaten sind als Vorhut in der Hauptstadt Port-au-Prince eingetroffen, wo es zuvor zu Schießereien und Plünderungen gekommen war. Aristide traf mittlerweile in der Zentralafrikanischen Republik ein und will nach Südafrika ins Exil gehen.

In New York erteilte der Weltsicherheitsrat einer multinationalen "Übergangstruppe" ein Mandat. Sie soll die öffentliche Ordnung sichern, nachdem militante Aristide-Anhänger am Sonntag in der Hauptstadt fürchterlich gewütet hatten.

Am Sonntag stieg Rauch über dem Präsidentenpalast vom Port-au-Prince auf. Anhänger des zurückgetretenen Präsidenten Aristide setzten Barrikaden in Brand und zogen plündernd durch die Straßen. Erst in der Nacht kehrte Ruhe in der 2-Millionen-Metropole ein. (Foto: Foto: dpa)

Das Mandat der Übergangstruppe gilt für zunächst drei Monate. Sie soll von den USA geführt und von Frankreich, Kanada sowie mehreren Mitgliedern des karibischen Staatenbundes (CARICOM) verstärkt werden. Ihre Aufgabe ist, die Versorgung der Bevölkerung durch die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen ermöglichen.

Nach Ablauf des Mandats wollen die Vereinten Nationen eine Friedenstruppe nach Haiti entsenden. Zuvor hatte der haitianische Übergangspräsident Boniface Alexandre formal um den Einsatz einer internationalen Truppe gebeten.

US-Präsident George W. Bush hatte zunächst 200 Marineinfanteristen den Marschbefehl erteilt. Journalisten beobachteten kanadische Elitesoldaten, die die Kontrolle über den Flughafen von Port-au-Prince übernahmen. Auch französischen Soldaten sollen entsandt werden, teilte die Sprecherin von Präsident Chirac mit. Laut dem französischen Generalstab sollten insgesamt 300 Mann nach Haiti geschickt werden.

Aristide-Anhänger terrorisieren Zivilisten

Die gefürchteten "Chimères", Aristides Schlägertrupps, hatten am Sonntag wahllos um sich geschossen, Häuser ausgeraubt, Banken aufgebrochen, mindestens zwei Tankstellen angezündet und hunderte kleine Geschäfte geplündert und damit die Existenzen der Händler vernichtet. Erst gegen Nachmittag sammelte sich die Polizei, um gegen die Plünderer einzuschreiten. Bis zum Abend war völlig unklar, wie viele Menschen durch den Terror der "Chimères" und den Polizeieinsatz am Sonntag ums Leben kamen.

"Es sieht aus, als ob ein Hurrikan durch die Stadt gegangen wäre", sagte eine Bewohnerin des Vorortes Petion-Ville. Die Zerstörungen vom Sonntag seien schlimmer gewesen als während aller Unruhen der vergangenen Tage und Wochen zusammen. Auch Universitätsgebäude wurden geplündert. Die "Chimères" verwüsteten außerdem den privaten Kabelsender Tele Haiti sowie den Radiosender Vision 2000, und sie bedrohten ausländische Journalisten.

Aristide will ins Exil nach Südafrika

Der gestürzte Präsident Jean Bertrand Aristide ist unterdessen in der Zentralafrikanischen Republik eingetroffen. Aristides Maschine landete am Morgen auf dem Flughafen der Hauptstadt Bangui. Der Ex-Präsident werde "einige Tage" lang bleiben, ehe er nach Südafrika ins Exil weiterreisen werde, sagte ein Regierungsmitarbeiter.

Zuvor hatte ein US-Regierungsvertreter in Washington mitgeteilt, Aristide sei auf dem Weg in die Zentralafrikanische Republik. Die panamaische Präsidentin Mireya Moscoso hatte erklärt, der 50-jährige Aristide suche in einem afrikanischen Land Asyl. Sie bestätigte, ihr Land habe dem aus Haiti geflohenen Ex-Staatschef auf Drängen der USA für zwei Wochen Asyl gewährt.

Aristide hatte am Sonntagmorgen erst nach stundenlangen Verhandlungen mit französischen und amerikanischen Diplomaten seinem Rücktritt zugestimmt, der dann von Premierminister Yvon Neptune verkündet wurde. Nach Informationen aus Oppositionskreisen drohten die Diplomaten Aristide mit einer Anklage wegen Drogenhandels, falls er nicht freiwillig gehe. Ein Mitarbeiter des Kontrollturms des Flughafens berichtete, Aristide sei in Handschellen zum Flugzeug geführt worden. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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