"Nach reiflicher Überlegung":Johannes Rau tritt nicht mehr an

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Der Bundespräsident hat sich entschieden, keine zweite Amtszeit anzustreben. In der Bundesversammlung, die den neuen Präsidenten wählen wird, haben Union und FDP derzeit die Mehrheit. Die Union will bis Ende des Jahres eine Entscheidung über ihren Kandidaten treffen.

(SZ vom 5.9.2003) - In Berlin wurde seit Wochen spekuliert, wann der Bundespräsident seine Entscheidung bekannt geben werde. Bereits Mitte Juni hatte Rau erstmals erklärt, er habe seine Entscheidung bezüglich einer zweiten Amtszeit getroffen, ohne jedoch zu sagen, wie diese aussieht.

Johannes Rau (Foto: Foto: AP)

Dies hatte eine Welle von Spekulationen sowie Kritik an seiner Vorgehensweise zur Folge. Im Juli sagte Rau dann, nach der bayerischen Landtagswahl am 21. September werde "die Zusammensetzung der Bundesversammlung" klar sein. Dann werde "auch jeder wissen, was ich für mich entschieden habe".

Dies wurde von vielen so interpretiert, dass Rau mit seiner Erklärung so lange warten wolle, bis bekannt sei, ob ein gutes Wahlergebnis der Grünen in Bayern in der Bundesversammlung relevante Verschiebungen zu Gunsten von Rot-Grün ergeben könnte.

Entscheidung schon lange getroffen

Aus der Umgebung Raus hieß es allerdings dazu, dies habe nie den Überlegungen des Bundespräsidenten entsprochen. Rau selbst betonte mehrmals, er habe seine Entscheidung schon lange und unabhängig vom Ausgang der Bayernwahl getroffen. Aus seinem Umkreis verlautete, Rau habe bereits im März beschlossen, nicht mehr zu kandidieren.

Für Donnerstagabend hatte der Bundespräsident Journalisten zu einer "sommerlichen Begegnung" ins Schloss Bellevue gebeten, wie es in Einladungsschreiben hieß.

Der Bundeskanzler wisse, so war zu erfahren, seit geraumer Zeit von Raus Entscheidung. Kanzler und Bundespräsident hatten sich Anfang August zu einem Gespräch auf der Insel Spiekeroog getroffen, wo Rau seine Sommerferien verbrachte. Damals war kolportiert worden, Schröder habe Rau den Verzicht auf eine zweite Amtszeit nahe gelegt.

"Eine freie und souveräne Entscheidung"

Schröders Sprecher Bela Anda dementierte dies, da es um "eine freie und souveräne Entscheidung des Bundespräsidenten" gehe. Ob die SPD nach dem Entschluss Raus einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken wird, ist bisher unklar. Zu hören ist gelegentlich die Überlegung, eine Frau mit überparteilicher Reputation zu nominieren.

In der Union war man darauf eingestellt, die Entscheidung über den Präsidentschaftskandidaten am Jahresende zu treffen, möglichst gemeinsam mit der FDP. Ziel sei es auch jetzt, den Zeitplan zu halten, verlautete aus Unionskreisen.

Zugleich wurden Zweifel laut, ob dies auch angesichts der Spekulationen über eine Kandidatur des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) zu schaffen sei. Beim Treffen von CDU-Partei- und Unionsfraktionschefin Angela Merkel mit Stoiber am Donnerstag in Berlin soll die Präsidentenfrage kein Thema gewesen sein.

Noch keine Einigung in der Union

In den Spitzen von CDU, CSU und FDP wurden Mutmaßungen dementiert, man habe sich bereits auf einen gemeinsamen Bewerber verständigt.

Anders als von ihr erhofft, kann sich die Union deshalb noch nicht einer Unterstützung der Liberalen sicher sein, ohne die ein Unionskandidat keine Chance hätte. Einen Favoriten gibt es freilich noch nicht.

Aus dem Rennen scheint der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) zu sein. Auch Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) fand in der eigenen Partei und der CSU wenig Widerhall.

Den früheren Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble halten zahlreiche Unionspolitiker für fachlich geeignet, attestieren ihm aber mangelnde Wärme. Genannt wird auch weiterhin der Name von Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU).

Über Stoibers mögliche Nominierung scheiden sich intern weiter die Geister. Er hatte zuletzt mehrmals gesagt, er wolle nicht Bundespräsident werden.

© Von Susanne Höll und Kurt Kister - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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