Nach Parlamentswahlen:Palästinensisches Kabinett tritt zurück

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Angesichts des sich abzeichnenden Sieges der Hamas hat das Kabinett unter Führung der Fatah seinen Rücktritt eingereicht. Ministerpräsident Ahmed Kurei erklärte: "Die Hamas sollte die neue Regierung bilden, wenn sich ihr Sieg bestätigt." Noch sind aber nicht alle Stimmen ausgezählt.

Der Rücktritt des Kabinetts ist zwar eine Formalität nach jeder Wahl, aber der Zeitpunkt war überraschend früh, da das amtliche Endergebnis noch nicht feststeht. Präsident Mahmud Abbas muss nach Bekanntgabe des Resultats die Partei mit den meisten Parlamentssitzen mit der Regierungsbildung beauftragen.

Fatah-Anhänger feuern am Abend der Wahl im Westjordanland in die Luft. (Foto: Foto: Reuters)

Ein palästinensisches Meinungsforschungsinstitut hatte in der Nacht noch erklärt, die regierende Fatah liege bei den ersten palästinensischen Parlamentswahlen seit zehn Jahren vor der radikalislamischen Hamas.

Wählerbefragungen hatten demnach darauf gedeutet, dass in dem 132 Sitze zählenden Parlament die Fatah 58 Sitze erhalten würde, die Hamas sollte aus dem Stand auf bis zu 53 Sitze kommen. Die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hätte somit ihre absolute Mehrheit verloren.

Hamas sieht sich als Sieger

Doch die von der EU als Terror-Organisation eingestufte Hamas beansprucht inzwischen eine absolute Mehrheit für sich. Laut Hamas-Sprecher Muschir al-Masri rechnet die Organisation mit einer absoluten Mehrheit von etwa 77 der 132 Sitze. Er stützte sich auf eigene Berechnungen seiner Bewegung. Hamas habe danach etwa die Hälfte der 66 über Listen zu vergebenden Mandate erhalten. Zudem hätten Hamas-Direktkandidaten 44 der 66 Plätze aus den Wahlbezirken gewonnen. Mehr als die Hälfte der Stimmen sollen bereits ausgezählt sein.

Auch im Hauptquartier der Fatah im Gazastreifen wurde eine Wahlniederlage gegen die Radikalislamisten eingestanden. Die Hamas habe nach vorliegenden Informationen eine Mehrheit, sagte ein Fatah-Vertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Kadura Fares, ein führender Politiker der Fatah in Ramallah, erklärte ebenfalls, er sei nach dem Stand der Dinge überzeugt, dass die Hamas stärkste Kraft im Parlament geworden sei.

Eine Pressekonferenz der Wahlkommission zur Bekanntgabe erster offizieller Ergebnisse ist auf Drängen der Fatah angeblich auf 19.00 Uhr (18.00 MEZ) verschobenen worden.

Bekenntnis zum Frieden gefordert

Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, Israel könne eine Beteiligung der Hamas an der palästinensischen Regierung nicht akzeptieren. Die Hamas ist für die USA nach den Worten von US-Präsident George W. Bush nur dann ein Gesprächs- und Verhandlungspartner, wenn sie das Ziel der Zerstörung Israels aufgibt.

"Eine politische Partei muss, um lebensfähig zu sein, sich zum Frieden bekennen. Entsprechend werde ich mit Hamas umgehen, wenn sie Verantwortung übernehmen sollte", sagte Bush in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview des Wall Street Journal. Hamas ist für die US-Regierung eine terroristische Organisation.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums fügte hinzu, die Entscheidung über das Kabinett und die künftige Politik liege bei den palästinensischen Vertretern. Es gelte nach wie vor die Forderung, die Hamas so lange von der Regierung auszuschließen, solange sie der Gewalt nicht abschwöre und Israels Existenz akzeptiere.

Prognosen zufolge könnte auch kleinen Parteien und Listen künftig eine größere Bedeutung zukommen. Abbas sprach vor Journalisten in Ramallah von einer "neuen Ära". Er rief die Welt nach der Parlamentswahl zu Hilfe bei der Rückkehr zu Friedensverhandlungen mit Israel auf.

Die Stimmabgabe war mit einer Beteiligung von 77,7 Prozent der mehr als 1,4 Millionen Wahlberechtigten und ohne große Zwischenfälle verlaufen. Israel hatte angekündigt, im Falle einer Regierungsbeteiligung der Hamas sich von allen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern loszusagen.

Großer Andrang

Die Wahllokale im Gazastreifen und dem Westjordanland schlossen am Mittwochabend weitgehend pünktlich um 19 Uhr (18 Uhr MEZ), wie die Wahlkommission mitteilte. In Ostjerusalem blieben einige Postämter, in denen die Einwohner ihre Stimmen abgeben konnten, noch länger geöffnet. Wegen großen Andrangs ging auch an einigen Wahllokalen im Westjordanland die Stimmabgabe zunächst weiter. Die Wahlberechtigten konnten in mehr als 1000 Wahllokalen ihre Vertreter in dem Abgeordnetenhaus bestimmen.

Die Hamas kündigte am Tag der Wahl eine Fortsetzung ihres bewaffneten Kampfes parallel zu ihren parlamentarischen Aktivitäten an. Abbas sagte zu einer möglichen Regierungsbeteiligung von Hamas, Israel habe ungeachtet des Wahlausgangs einen palästinensischen Partner für Friedensverhandlungen. Anhänger der Fatah feierten das Wahlergebnis im Gazastreifen und dem Westjordanland.

Die US-Regierung nannte die Parlamentswahl einen "historischen und bedeutsamen Moment". Die USA unterstützten die Palästinenser auf ihrem Weg zu einem demokratischen, unabhängigen eigenen Staat, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan am Mittwoch in Washington. Er betonte erneut die amerikanische Ablehnung der Hamas.

Abbas strebt neue Gespräche an

"Wir brauchen internationale Unterstützung, um uns zurück an den Verhandlungstisch mit Israel zu bringen, um den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen", sagte Abbas. Er betonte, man strebe Gespräche über eine endgültige Friedensregelung an. Abbas sagte am Mittwochabend, offizielle Wahlergebnisse seien innerhalb von 24 Stunden zu erwarten.

Abbas betonte im Hinblick auf Hamas, es sei nicht Israels Aufgabe zu entscheiden, wer in der palästinensischen Regierung sitze. Er reagierte damit auf Fragen nach der Zukunft der Friedensverhandlungen im Falle einer Regierungsbeteiligung der Hamas.

"Wir sind Israels Partner, und es hat kein Recht zu bestimmen, wer an den Verhandlungen beteiligt ist", sagte er. Israel hat betont, es sei nur zu Friedensgesprächen mit Hamas bereit, sollte die Gruppe der Gewalt abschwören.

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