Nach Kandidaten-Tod:FDP und CDU wollen Stimmauszählung bundesweit verschieben

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Nach dem Tod einer NPD-Kandidatin blickt die Republik auf den Wahlkreis Dresden I: Hier geben die Wähler erst nach dem 18. September ihre Stimmen ab und könnten damit vielleicht das Zünglein an der Wage sein. Und daher sollten die Dresdner auch gänzlich unbeeinflusst an die Urnen gehen, meinen CDU und FDP.

Die Direktkandidaten beider Parteien fordern, bundesweit die Stimmen erst nach der Wahl in Dresden auszuzählen. Der FDP-Rechtsexperte Max Stadler sagte, die Dresdner Wähler könnten durch die Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses am 18. September beeinflusst werden.

Rund 219 000 Stimmzettel sind im Wahlbezirk Dresden I mit dem Tod der NDP-Kandidatin Kerstin Lorenz ungültig geworden. (Foto: Foto: dpa)

Stadler forderte in der Passauer Neuen Presse für künftige Wahlen eine Änderung des Bundeswahlgesetzes. Danach müssten die Parteien in jedem Wahlkreis Reservekandidaten nominieren, die bei einem Ausfall ohne zeitliche Verzögerung die Wahl antreten könnten. Eine entsprechende Gesetzesinitiative sollte nach der Wahl vorgelegt werden, sagte Stadler.

Die Direktkandidaten Andreas Lämmel (CDU) und Peggy Bellmann im betroffenen Wahlkreis Dresden I sprachen sich in der Bild-Zeitung für eine Verschiebung der Stimmenauszählung aus. "Bis zur Nachwahl dürfen nirgendwo Stimmen ausgezählt werde", sagte Bellmann.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wies im ARD-Morgenmagazin solche Forderungen zurück. "So was kann man vielleicht in Afrika irgendwann machen, dass man zwei oder drei Wochen später das Wahlergebnis verkündet, nicht in der Bundesrepublik", sagte er.

Wiefelspütz: "Klage ist aussichtslos"

Nach Ansicht des Wahlrechtsexperten der SPD, Dieter Wiefelspütz, wird die Nachwahl in Dresden eine Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl nicht verzögern. Es dauere ohnehin vier bis sechs Wochen, bis der Kanzler gewählt werde, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion der Rheinischen Post.

Zwar sei jeder Wahlkreis wichtig. Es werde aber "keine relevante Änderung" der Zeitpläne geben. Rechtlichen Schritten gegen die Nachwahl, wie die Linkspartei sie erwägt, räumte Wiefelspütz keine Chance ein: "Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Klage aussichtslos wäre."

Wiefelspütz verteidigte zugleich die Entscheidung der sächsischen Landeswahlleiterin. "Wir können nicht die Bundestagswahl insgesamt verschieben", sagte der SPD-Politiker.

"Abwägungstatbestand"

Die 43-jährige Kerstin Lorenz hatte auf einer Wahlveranstaltung der rechtsextremistischen NPD am Montag in Dresden einen Hirnschlag erlitten, war ins Koma gefallen und am Mittwoch für tot erklärt worden.

Der Kreisverband der Dresdner NPD beschloss, am Mittwoch kommender Woche einen neuen Kandidaten zu benennen. Ein Termin für die Nachwahl in Dresden steht nach wie vor nicht fest, wie die Wahlleiterin von Sachsen, Irene Schneider-Böttcher, im Bayerischen Rundfunk sagte.

Auf jeden Fall müssten die Fristen für die Briefwähler gewahrt werden. Zu der Frage, ob es rechtens sei, dass ein Wahlkreis Zünglein an der Waage spielen könne, sagte die sächsische Wahlleiterin: "Es ist eine sehr sensible Frage, der Bundeswahlleiter hat sich die Entscheidung, ein vorläufiges Ergebnis in der Wahlnacht bekannt zu geben, nicht leicht gemacht." Es liege ein "Abwägungstatbestand" vor.

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