Nach Hetzjagd in Mügeln:Anonyme Hinweise auf rechte Szene

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Erste Stimmen melden eine aktive rechtsextreme Szene in der Kleinstadt. Politiker verurteilen indes die Hetzjagd auf Inder.

In Mügeln soll es eine aktive rechtsextreme Szene geben. Dies wird zwar vom dortigen Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) verneint. Doch mit der Wirklichkeit in dem Ort, hat das wenig zu tun.

"Die Vorstellungen des Bürgermeisters sind altbacken", sagte Friedemann Affolderbach der Berliner TAZ. Er arbeitet für das "Mobile Beratungsteam gegen Rechts" im Regierungsbezirk Leipzig.

Die rechtsextreme Szene funktioniere dort inzwischen als loses Netzwerk. Dank moderner Kommunikationsmittel seien die Neonazis längst nicht mehr darauf angewiesen, sich in festen Gruppen zu organisieren.

Der Jugendclub in Mügeln war laut Affolderbach bis vor einigen Jahren als rechter Treff bekannt. Einige ihrer Anhänger müssten weiterhin in der Stadt leben.

Auch die Nachrichtenagentur ddp berichtete, dass einige Bewohner Mügelns, die anonym bleiben wollen, erzählten, dass die rechtsextreme Szene seit Jahren aktiv sei.

"Geht nicht zu Volksfesten"

"Für alternative Jugendliche ist es hier Alltag, dass sie mit rechtsextremen Übergriffen rechnen müssen", sagte Alexander Voigt, Mitarbeiter der Civitas-Netzwerkstelle gegen Rechts im benachbarten Döbeln, der TAZ. Er sage seinen Jugendlichen immer: Geht nicht zu diesen Volksfesten - das ist gefährlich. So kann Voigt einige Übergriffe in der Gegend aufzählen.

Anfang Februar habe eine Gruppe Vermummter ein Döbelner Café während eines Kabaretts gestürmt. Die Männer hätten mit Flaschen und Möbeln geworfen. Eine Besucherin sei verletzt worden. Einschlägige Symbole an der Kleidung ließen darauf schließen, dass es sich um Rechtsextreme gehandelt habe.

Ermittlungsergebnisse von der Polizei gäbe es jedoch bis heute keine. Voigt könne "diese Überraschtheit der Lokalpolitiker inzwischen nicht mehr nachvollziehen".

Außergewöhnlich an dem Fall in Mügeln ist für Fachleute, dass sich bei dem Fest ein Mob bildete und auch Mügelner mitmachten, die nicht zur rechtsextremen Szene gehörten. "Da scheint eine Idee auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein", sagt der Rechtsextremismus-Berater Affolderbach.

Bundesregierung und Parteien haben mit Abscheu auf die Hetzjagd auf acht Inder im sächsischen Mügeln reagiert. Der für den Aufbau Ost zuständige Minister Wolfgang Tiefensee sprach von einem "unerträglichen Gewaltexzess". Unions-Fraktionschef Volker Kauder nannte den Vorfall eine Schande. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt warnte vor Vorverurteilungen. Es müssten zunächst die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen abgewartet werden, betonte der Regierungschef in einem Interview.

"Keine Werbung für den Arbeitsstandort"

Auch Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) warnte vor übereilten Schlüssen. Es müsse erst noch geklärt werden, ob der Vorfall einen rechtsextremistischen Hintergrund gehabt habe oder ob eine ganz normale Schlägerei der Anlass gewesen sei, sagte Buttolo in Dresden. Gewalt könne jedoch - "ob rechtsextremistisch oder nicht" - nicht hingenommen werden.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wies Vorwürfe zurück, die Kommunen unternähmen zu wenig gegen Rechtsextremismus. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und Beschimpfungen der Städte und Gemeinden durch Politiker werde das Problem nicht gelöst, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Chemnitzer Freien Presse.

Es gebe eine Vielzahl von Programmen gegen Rechts. Allerdings sei eine Aufbesserung der Finanzausstattung für die bestehenden Netzwerke dringend erforderlich: So seien die für das Bundesprogramm "Rechtsextremismus 2007" vorgesehenen 19 Millionen Euro deutlich zu knapp bemessen. "Die Politik darf die Kommunen im Kampf gegen Rechts nicht alleine lassen", forderte Landsberg.

Die Hetzjagd in Mügeln hat auch in der Wirtschaft besorgte Reaktionen hervorgerufen. Solche Vorfälle seien "keine Werbung für den Arbeitsstandort Deutschland", erklärte der Chef-Volkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Axel Nitschke, in Berlin. Sie sollten Anlass für die Gesellschaft und speziell die Wirtschaft sein, sich mit besonderer Sensibilität mit dem Thema Rassismus zu befassen.

Es sei davon auszugehen, dass die Berichterstattung über Auswüchse dieser Art auch im Ausland Wellen schlagen und dem Standort Deutschland schaden werde. Der DIHK wirbt derzeit intensiv dafür, den Zuzug ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Angesichts des zunehmenden Mangels an Fachkräften und Forschern benötige Deutschland ausländische Arbeitnehmer.

Unterdessen befragt die Polizei Zeugen der Hetzjagd, die sich am Wochenende beim Stadtfest in Mügeln ereignet hatte. "Es ist wie ein Puzzlespiel, man muss es jetzt nach und nach zusammensetzen", sagte die Polizeisprecherin. "Allzu viele" Zeugen hätten sich allerdings bislang nicht gemeldet. Viele täten sich offenbar schwer, "Zivilcourage zu zeigen" - möglicherweise, weil sie die Konfrontation mit den Beschuldigten bei einem späteren Prozess fürchteten.

Eine Gruppe von rund fünfzig jungen Deutschen hatte die acht Inder nach einem Streit beim Stadtfest unter dem Rufen ausländerfeindlicher Parolen durch den Ort gehetzt. Dabei waren die Gejagten verletzt worden, einige von ihnen schwer.

© sueddeutsche.de/AFP/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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