Nach Gysis Abschied:Denk-Blockade

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Wie steht es um ein rot-rot-grünes Bündnis? Ein SPD-Gesprächsangebot stößt auf wenig Interesse.

Von Christoph Hickmann

Gregor Gysi, davon konnte man sich am Donnerstag im Bundestag überzeugen, ist immer noch da. Er antwortete dort auf die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, und trotzdem hat mit seiner Rückzugsankündigung bei der Linken ja bereits die Post-Gysi-Ära begonnen - zumal man schon weiß, wer im Herbst an die Stelle des Fraktionschefs treten soll: das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Die über die Linke hinaus weisende Hauptfrage, die sich daraus ergibt, lautet: Was macht das eigentlich mit den Aussichten für Rot-Rot-Grün?

Das ist jenes (auf Bundesebene) bislang lediglich theoretisch existente Regierungsbündnis, an dessen Realisierung linke Sozialdemokraten und Grüne sowie pragmatisch eingestellte Linke seit Jahren herumwerkeln. Herumwerkeln bedeutet in diesem Fall, dass man viele Stunden über Gemeinsamkeiten sowie Gegensätze diskutiert und hin und wieder sehr ambitionierte Papiere veröffentlicht - um regelmäßig von der eigenen Parteiführung per Interview zu hören zu bekommen, dass Rot-Rot-Grün ohnehin Quatsch sei, solange die anderen sich nicht bewegten.

Die Frage ist also, ob nach Gysis Ankündigung doch noch mal Bewegung in die Sache kommt, und zwar vor 2017. Um sich davon ein Bild zu machen, gibt es kaum einen besseren Ort als die Vertretung des Freistaats Thüringen beim Bund - schließlich wird Thüringen seit einem guten halben Jahr rot-rot-grün regiert. Für Mittwochabend hatte nun die linke "Denkfabrik" der SPD-Fraktion in die Landesvertretung geladen, genauer: in das dort angesiedelte Restaurant "Der Thüringer". Gefeiert wurde ein "r2g-Sommerfest. R2g steht für Rot-Rot-Grün.

Wichtigste Frage: Wer kommt? Lassen sich vielleicht mal andere Menschen blicken als die üblichen Verdächtigen, die nun seit Jahren mit dem Herumwerkeln beschäftigt sind? Kommt mal einer von denen, die das Ganze regelmäßig zum Hirngespinst erklären? Kommt Wagenknecht, das Schreckgespenst der Sozialdemokratie? Antwort, 18:30 Uhr: Nein.

Jürgen Trittin ist gekommen, aber der war ja die meiste Zeit seiner Karriere sowieso linker als die meisten Linken. Simone Peter ist anwesend, die Parteichefin der Grünen, von der es ebenfalls heißt, sie sei links. Einzig überraschender Gast ist der Grüne Omid Nouripour, der eher als Freund schwarz-grüner Bündnisse gilt. Er sagt, dass man sich ja jetzt in der "Stunde null" befinde: "Lasst uns dem Ganzen doch mal 'ne Chance geben." Immerhin.

Dann begrüßt Angela Marquardt die Gäste, sie ist Geschäftsführerin der Denkfabrik: "Eine Idee ist ja nicht deswegen falsch oder kaputt, weil sie gerade nicht en vogue in den Parteiführungen ist oder weil andere Bedingungen dagegen sprechen." Da nicken viele. Und dann haben sie zusammen einen schönen Abend. Auf Nachfrage heißt es am nächsten Tag, dass Leute wie Wagenknecht ja auch gar nicht auf dem Einladungs-Verteiler stünden.

Vielleicht liegt hier das Problem. Bis 2017 könnte man noch etwas an der Gästeliste arbeiten.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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