Nach fehlgeschlagenen Attentaten:Schäuble fordert mehr Kameras und mehr Wachsamkeit

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Der Innenminister warb erneut dafür, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Zudem sollen große Straßen und Plätze ständig gefilmt werden. Mit der Bahn hat der CDU-Mann vereinbart, "dort, wo es sinnvoll ist", mehr Kameras zu installieren. Justizministerin Zypries warnt hingegen vor einer flächendeckenden Videoüberwachung.

Die SPD-Politikerin sagte der in Hannover erscheinenden Neuen Presse: "Ganze Innenstädte zu überwachen, halte ich für unverhältnismäßig." Es gebe keinen hinreichenden Anhaltspunkt, dass unser Land dadurch sicherer werde, sagte Zypries. Eine Videoüberwachung von Knotenpunkten wie Flughäfen oder Bahnhöfe sei dagegen sinnvoll.

Mehr Kameras an Bahnhöfen - darüber herrscht Konsens in der großen Koalition (Foto: Foto: dpa)

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht trotz rascher Fahndungserfolge im Fall der Kofferbomber die Terror-Gefahr in Deutschland keineswegs gebannt. "Wir würden einen Fehler machen, wenn wir uns jetzt zurücklehnen würden", sagte er den Lübecker Nachrichten. Schäuble will vor allem das Internet stärker durchforsten lassen, da es immer mehr zum "Lehrbuch" für Terroristen werde.

In der geplanten Anti-Terror-Datei möchte Schäuble als Merkmal auch die Religionszugehörigkeit speichern. Sie sei "ein wesentliches Kriterium, genauso wie berufliche Fähigkeiten. Die Attentäter um Mohammed Atta haben eine Pilotenausbildung begonnen. So etwas kann Anhaltspunkte liefern", meinte der Innenminister.

Angesichts der großen Gefahr durch den islamistischen Fundamentalismus sei es richtig, die Religionszugehörigkeit mitzuerfassen. "Damit wird die Religionsfreiheit nicht verletzt", sagte Schäuble dem Focus.

Schienen sollen überwacht werden

Der Mainzer Allgemeinen Zeitung sagte Schäuble, zur Sicherung des Bahnverkehrs seien mehr Sprengstoff-Spürhunde nötig. Außerdem müssten künftig Bahngleise durch Polizeistreifen oder mit technischen Mitteln "intensiver überwacht werden". Auch die Videoüberwachung will Schäuble massiv ausbauen.

"An Bahnhöfen, Flughäfen, großen Straßen und Plätzen ist Videoüberwachung machbar und sinnvoll", so Schäuble zu Focus. Er habe mit der Bahn vereinbart, dass "dort, wo es sinnvoll ist", weitere Kameras installiert werden.

Der Minister rief die Bürger zu mehr Wachsamkeit auf, um Verdächtigen frühzeitig auf die Schliche zu kommen. Er richtete diesen Appell auch an die Muslime in Deutschland.

Es wäre völlig falsch, sie unter Generalverdacht zu stellen. Aber auch sie müssten ihren Beitrag gegen die Terror-Gefahr leisten und dürften "nicht in falsch verstandener Solidarität wegschauen".

Stoiber: Muslime müssen aktiver werden

CSU-Chef Edmund Stoiber hält die Distanzierung der muslimischen Organisationen vom islamistischen Terror für nicht ausreichend. Die Muslime in Deutschland müssten "aktiv gegen Terror Stellung beziehen und nicht nur mit Worten", schrieb Stoiber in der Bild am Sonntag.

Er verlangte von den muslimischen Gemeinden, Extremisten auszustoßen und den Sicherheitsbehörden zu melden. Die westlichen Werte dürften in Moscheen und Gebetshäusern nicht weiter als moralisch minderwertig verunglimpft und damit junge Muslime radikalisiert werden.

Pilotprojekt zwischen Polizei und Muslimen vereinbart

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der Frankfurter Rundschau, extremistische Tendenzen in Moscheen seien auch bisher schon an die Behörden gemeldet worden. Nach den gescheiterten Anschlägen auf Regionalzüge plant der Verein eine Art Pilotprojekt mit dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

Demnach sollen zunächst in einigen größeren Städten des Bundeslandes Vertrauensleute bei der Polizei und in Moscheen benannt werden. Ziel sei, die Kontakte zu verbessern sowie Hemmschwellen und Ängste gegenüber der Polizei abzubauen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die politischen Reaktionen auf die fehlgeschlagenen Kofferbomben-Attentate als "völlig unzureichend" und verlangte eine "grundsätzliche sicherheits- und gesellschaftspolitische Neuausrichtung".

Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagteder GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg: "Offenbar muss es bei uns erst Terroropfer geben, bevor unsere Politiker es wagen, die sicherlich nicht angenehmen Konsequenzen aus der Bedrohungslage in Deutschland zu ziehen."

So seien Anti-Terror-Datei und eine neue Kronzeugenregelung lange diskutierte "Selbstverständlichkeiten". Mehr Sicherheit gebe es nicht zum Nulltarif, so der GdP-Chef. "Solange die Terrorbekämpfung nicht deutlich personell und finanziell aufgestockt wird, ist alles andere weiße Salbe."

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