Nach der Wahl:Frankreichs Ost-West-Konflikt

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Die Ergebnisse der ersten Runde des Präsidentschaftswahlkampfs sind knapp. Spannend wird, wen die Wähler des Linken Mélenchon unterstützen werden.

Von Nadia Pantel, München

Betrachtet man eine nach den Wahlergebnissen eingefärbte Frankreich-Karte, zeigt sich ein Bild, das von der Abstimmung über die Europäische Verfassung 2005 bekannt ist: Im Nordosten und im Südosten des Landes leben die meisten EU-Skeptiker und -Gegner. Wer 2005 gegen die Verfassung stimmte, entschied sich bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag am ehesten für Marine Le Pen und den rechtsradikalen Front National. Wer damals für die Verfassung war, gab seine Stimme nun eher dem EU-Freund Emmanuel Macron.

Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, die Ergebnisse der Wahl als eine Spaltung des Landes in ein pro- und in ein anti-europäisches Lager zu interpretieren. 80 Prozent der Stimmen entfielen auf die ersten vier Kandidaten: Auf den Mitte-links-Politiker Emmanuel Macron, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, den Konservativen François Fillon und den Linken Jean-Luc Mélenchon. Von diesem Feld konnten sich die zwei Erstplatzierten nicht klar absetzen. Zwischen dem Sieger Macron (24 Prozent) und dem viertplatzierten Mélenchon (19,5 Prozent) liegen nur vier Prozentpunkte.

SZ-Grafik; Quelle: Französisches Innenministerium (Foto: SZ-Grafik)

Das Meinungsforschungsinstituts Ifop hat die Ergebnisse der Wahl in ihren regionalen Details analysiert. Macron war demnach vor allen Dingen in den Metropolen und Universitätsstädten erfolgreich und in Regionen, die lange traditionell sozialistisch gewählt haben: in der Bretagne und im Zentrum Frankreichs. Le Pen konnte auf Hochburgen des Front National vertrauen, die über Jahre aufgebaut wurden. Das sind zum einen die verarmenden ehemaligen Industrieregionen im Nordosten, zum anderen die eher bürgerlich geprägten Teile des östlichen Südfrankreichs. Fillon wiederum konnte unter anderem in den Seebädern der Besserverdiener entlang der Côte d'Azur punkten. Mélenchons linker Wahlkampf stieß vor allen Dingen in ehemals kommunistischen Gemeinden auf Begeisterung. Dazu zählen Orte in der Bretagne, in Lothringen und in den südfranzösischen Cevennen. Auch die kommunistische Wähler der Hafenstadt Le Havre am Atlantik konnte Mélenchon gewinnen.

Spannend ist dabei die Frage, wem diejenigen Franzosen, die im ersten Wahlgang den Linken Mélenchon gewählt haben, in der Stichwahl ihre Stimme geben. In einer Umfrage für den Fernsehsender BFMTV, die das Meinungsforschungsinstitut Elabe am Dienstag veröffentlichte, sind 31 Prozent der Mélenchon-Wähler noch unentschlossen. 53 Prozent wollen für Macron stimmen, 16 Prozent für Le Pen.

Mit Mélenchons Ausscheiden fällt für die Wähler ein Kandidat weg, der zwar EU-kritisch, aber nicht fremdenfeindlich ist. Vor allem für Protestwähler unter Mélenchons Unterstützern ist die Rechtspopulistin Le Pen eine Alternative, sie stimmen dann weniger für ein spezifisches politisches Programm, als gegen die herrschende Ordnung. Für diejenigen, die statt Mélenchon nun Macron wählen werden, dürfte hingegen ausschlaggebend sein, dass Macron für ein Frankreich der kulturellen und religiösen Vielfalt wirbt.

Anders als die ebenfalls unterlegenen Kandidaten Benoît Hamon und François Fillon, die noch am Sonntag ihre Wähler aufriefen, in der Stichwahl Macron zu unterstützen, gab Mélenchon keine Wahlempfehlung ab.

Frankreichs scheidender Staatschef François Hollande hingegen rief am Dienstag zur Mobilisierung gegen Le Pen auf.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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