Nach der Vertrauensfrage:Planspiele der Politik

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Die Wahlprogramme stehen schon: Die SPD will die Familien entlasten, die Union die Mehrwertsteuer erhöhen. Dabei ist noch gar nicht klar, ob es tatsächlich zu Neuwahlen kommt. Zwei Abgeordnete wollen das vom Bundesverfassungsgericht klären lassen.

Die SPD will im Fall eines Wahlsieges die Leistungen für Familien ausbauen und das Gesundheitssystem durch eine Bürgerversicherung für alle bezahlbar machen. Um Lohndumping zu verhindern, wird ein gesetzlicher Mindestlohn angestrebt.

Wollen das Vorgehen im Bundestag rechtlich überprüfen lassen: Werner Schulz und Jelena Hoffmann. (Foto: Foto: AP)

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Planung, Spitzenverdiener einen dreiprozentigen Aufschlag auf die Einkommenssteuer zahlen zu lassen.

Ein neues Elterngeld, auf das ein Jahr Anspruch besteht, soll sicherstellen, dass Familien mit kleinen Kindern ihren Lebensstandard auch bei Berufsunterbrechung halten können. Zudem wird die schrittweise Einführung der Gebührenfreiheit in Kindertagesstätten angekündigt. Am Bafög will die SPD festhalten, ebenso auch an der Studiengebührenfreiheit im Erststudium.

In dem 37 Seiten langen Wahlmanifest, das der SPD-Vorstand am Montag verabschieden will, werden erstmals auch konkrete Eckpunkte für die geplante Bürgerversicherung im Gesundheitswesen genannt.

Klargestellt wird, dass die SPD die private Krankenversicherung nicht abschaffen will. Zwischen den gesetzlichen und privaten Kassen solle es vielmehr einen Wettbewerb um die beste Versorgung geben.

In dem Text heißt es: "Jeder muss versichert sein, Auch Gutverdienende, Beamte, Selbstständige und Politiker werden in die Solidarische Krankenversicherung einbezogen". Jede Kasse müsse jeden Bürger "ohne Ansehen des Risikos versichern".

Auch kranke und behinderte Menschen sollen zwischen privaten und gesetzlichen Kassen wählen können. Die Beiträge sollen sich wie bisher nach dem Einkommen richten. Einen Einheitsbeitrag für Reiche wie Arme - wie die Union dies will - lehnt die SPD ab.

Der Steuerzuschlag für Spitzenverdiener soll nach dem Willen der Sozialdemokraten in Bildung, Forschung und Zukunftstechnologien fließen. Herangezogen werden dafür Ledige ab 250.000 Euro Jahreseinkommen, Verheirate ab 500.000 Euro. Die Steuer auf große private Erbschaften soll "sozial gerecht" verändert werden.

Eine Anhebung der Mehrwertsteuer wird abgelehnt. An der Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen will die SPD anders als Union und FDP unverändert festhalten.

Bundeseinheitliche Mindestlöhne

Die SPD strebt bundeseinheitliche tarifliche Mindestlöhne für alle Branchen an. Soweit Wirtschaft und Gewerkschaften sich darauf nicht verständigen, soll es einen gesetzlichen Mindestlohn geben. Die von Union und FDP geplante weitgehende Abschaffung des Kündigungsschutzes wird ebenso strikt abgelehnt wie gesetzliche Eingriffe in die Tarifautonomie.

Private Haushalte sollen bei der Modernisierung von Immobilien 20 Prozent ihrer Kosten von der Steuer abziehen können - bis zu einer Höhe von 3000 Euro. Davon verspricht sich die Partei die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Handwerk. Zur Ankurbelung der Konjunktur sollen in den nächsten vier Jahren zusätzlich zwei Milliarden Euro in den Ausbau von Straßen und Bahnen gesteckt werden.

Die notwendige Konsolidierung der Staatsfinanzen dürfe nicht das Wachstum gefährden, heißt es in dem Text weiter. Bei einem noch nicht gesicherten kräftigen Aufschwung dürfe es deshalb "keine zusätzlichen Sparrunden" geben.

Die SPD spricht sich weiter dafür aus, das Ausländer verstärkt Deutschland zu ihrem Lebensmittelpunkt machen. Für den Schulbesuch soll die Kenntnis der deutschen Sprache unverzichtbar werden. Die in der Türkei und arabischen Ländern praktizierte "Zwangsheirat" soll unter Strafe gestellt werden.

Im außenpolitischen Teil des Manifests wird die zunehmende internationale Verantwortung Deutschlands bekräftig. Aber wie beim Irak-Krieg müsse Deutschland, wo der Einsatz militärischer Mittel zweifelhaft sei, "Nein sagen", heißt es in dem Text weiter. Auch dies sei Folge des gewachsenen außenpolitischen Selbstbewusstseins.

Weiter spricht sich die SPD dafür aus, an den am 3. Oktober beginnenden EU- Beitrittsverhandlungen mit der Türkei festzuhalten. Auch einen "Wortbruch" gegenüber Bulgarien und Rumänien, deren Beitrittsverträge kurz vor dem Abschluss stünden, dürfe es nicht geben.

Programm der Union

Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Volker Kauder und Markus Söder, schlagen für das gemeinsame Wahlprogramm der Union eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent vor.

Das berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel vorab unter Berufung auf den Programmentwurf. Dem Vorschlag habe CSU-Chef Edmund Stoiber bereits zugestimmt, Kanzlerkandidatin Angela Merkel wolle bis zum kommenden Wochenende entscheiden, ob sie der Empfehlung zustimme. An dem Entwurf mit dem Titel "Für ein starkes Deutschland.

Aufbruch - Erneuerung - Sicherheit" haben auch der parlamentarische CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen und der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber mitgearbeitet. Er soll am Donnerstag in München vom CSU-Präsidium beraten werden. Endgültig entschieden wird darüber in einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU am 11. Juli in Berlin.

Offen ist laut Spiegel noch, ob die Mehreinnahmen von rund 16 Milliarden Euro allein zur Senkung der Lohnnebenkosten oder auch zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden sollen. Die Verschuldensgrenze des europäischen Stabilitätspaktes solle möglichst schnell wieder eingehalten, ein ausgeglichener Haushalt aber erst eine Legislaturperiode später erreicht werden.

Dem Bericht zufolge wird in dem Programmentwurf eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent auf 39 Prozent angekündigt. 2007 solle es eine große Steuerreform geben, im selben Jahr solle eine Gesundheitsprämie eingeführt werden.

Röttgen versprach, dass den Wählern ehrlich gesagt werde, was CDU und CSU nach der Wahl zur Lösung der Probleme vorhaben. Wichtig sei, im Wahlprogramm zu sagen, warum bestimmte Maßnahmen, "die isoliert betrachtet nicht schön sind", gemacht würden, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

"Wir wollen nicht erneut dadurch Vertrauen verspielen, dass wir hinterher anders handeln als wir vorher geredet haben." Nichts habe die Menschen so sehr enttäuscht wie ungehaltene Versprechen. Daher sei es auch unseriös, konkrete Zahlen zur Senkung der Arbeitslosigkeit zu nennen, wie es die jetzige Bundesregierung getan habe.

Das Bundesverfassungsgericht soll entscheiden

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz und die SPD-Parlamentarierin Jelena Hoffmann wollen gemeinsam gegen eine mögliche Auflösung des Bundestags vorgehen. "Ich strebe an, zusammen mit Werner Schulz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen", sagte Hoffmann der Bild am Sonntag.

Wie das Blatt unter Berufung auf die beiden Politiker berichtete, prüfen weitere Abgeordnete derzeit, ob sie sich der Klage anschließen. Hoffmann sprach der Zeitung zufolge von zwei, Schulz von etlichen Abgeordneten, die diesen Schritt in Erwägung zögen.

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk kritisierte das Vorgehen von Bundeskanzler Gerhard Schröder: "Ein Kanzler hat entweder vier Jahre durchzustehen oder muss zurücktreten", sagte die zum linken Parteiflügel zählende Sozialdemokratin laut Bild am Sonntag.

Ein Kanzler dürfe keine Mimose sein, die politische Entscheidungen davon abhängig mache, ob sie verärgert sei. Das von Schröder gewählte Verfahren schade dem Ansehen der parlamentarischen Demokratie.

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