Nach der Kandidaten-Kür:FDP will für Zustimmung zu Köhler belohnt werden

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Der Kuhhandel um einen Bundespräsidenten-Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager ist gerade erst vorüber, da erwartet FDP-Fraktionschef Gerhardt schon den nächsten Deal: Einen Platz an den Trögen der Macht für das Ja der Liberalen zu Horst Köhler.

FDP-Fraktionschef Gerhardt sieht in der Nominierung von Horst Köhler einen "Vorboten für eine mögliche spätere Koalition aus CDU/CSU und FDP".

"Auch andere Präsidentschaftswahlen waren Vorboten für spätere politische Konstellationen", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Es sei "ganz legitim", dass auch die Person des Kandidaten dies ausdrücke.

Geißler: Die Liberalen sind schwache Partner

Die Verquickung von Bundespräsidentenwahl und Koalitionsfrage ist in der Union umgehend auf Skepsis gestoßen. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kritisierte seine Parteiführung: "Diese babylonische Gefangenschaft, in die sich die CDU mit der FDP begibt, ist auf die Dauer nicht sehr intelligent, denn die Liberalen sind schwache Partner."

FDP-Fraktionschef Gerhardt würdigte außerdem die "Veränderungsbereitschaft und Kompetenz im Strukturwandel", die Köhler vermittelt habe. Köhler habe eine "Botschaft für Deutschland genannt, die ich auch nennen würde".

Köhler hatte sich nach seiner Nominierung durch die CDU/CSU und die FDP für weitere Reformen in der Bundesrepublik ausgesprochen.

Deutschland brauche einen Diskussions- und Veränderungsprozess nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in den Bereichen Bildung, Kultur und im Zusammenleben der Menschen, erklärte der bisherige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF).

US-Finanzminister würdigt Köhler

Köhler kündigte an, noch am Freitag werde er nach Deutschland zurückkehren, um die bevorstehenden Aufgaben zunächst mit seiner Frau und den beiden Kindern zu besprechen. Die Nominierung habe er gerne angenommen. "Ich (...) glaube, dass ich der Aufgabe gewachsen bin", sagte der 61-Jährige.

Er habe die Bundespräsidentschaft nie angestrebt, sagte Köhler. Aber er könne mit seiner Erfahrung etwas einbringen, "was Deutschland jetzt vor allen Dingen braucht, nämlich eine Diskussion und einen Prozess der Veränderungen nicht nur in der Wirtschaft". Vor seiner IWF-Tätigkeit war Köhler unter anderem Spitzenberater von Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Chef des Sparkassenverbandes.

US-Finanzminister John Snow würdigte die Verdienste Köhlers als IWF-Direktor. Köhler habe in relativ kurzer Zeit eine lange Liste von Errungenschaften aufzuweisen, sagte Snow in Washington. Er verwies unter anderem auf die größere Transparenz in der Finanzorganisation und besseres Krisenmanagement im IWF.

Merkel verteidigt zähe Verhandlungen

Zu den tagelangen zähen Verhandlungen der Parteien und dem heftigen Streit in der CDU sagte die Parteivorsitzende Angela Merkel am Donnerstagabend in der ARD, die Union habe sich mit der FDP auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen müssen, um eine Mehrheit in der Bundesversammlung zu haben.

Deshalb habe man den früheren CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble nicht durchsetzen können. Zugleich lobte Merkel Köhler als eine Persönlichkeit, die gerade in Zeiten der Veränderung etwas von "menschlicher Globalisierung" verstehe.

Merkel, Stoiber und Westerwelle sind überzeugt, dass sich der 61-Jährige bei der Wahl bereits im ersten Durchgang durchsetzt. In der Bundesversammlung haben Union und FDP 21 Stimmen mehr, als für die absolute Mehrheit notwendig ist.

Kritik von den Gewerkschaften

Erste Kritik an dem Kandidaten kommt von den Gewerkschaften: DGB-Chef Michael Sommer sagte: "Was wir brauchen, ist ein Bürgerpräsident. Wir brauchen einen, bei dem mehr als nur ökonomischer Sachverstand da ist." Mit der Entscheidung für IWF-Chef Köhler und nicht für den Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, habe das bürgerliche Lager deutlich gemacht, dass es nicht auf Umwelt, sondern auf Ökonomie setze.

Unterdessen zeigte sich Köhlers Gegenkandidatin, die 60-jährige Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder, Gesine Schwan überrascht, aber auch optimistisch. Sie rechne sich trotz der Mehrheit von Union und FDP in der Bundesversammlung Chancen auf eine Wahl zur Bundespräsidentin aus. Sie könne sich vorstellen, dass es "über die engere Gruppe der Regierungskoalition hinaus" Personen gebe, die sie auf Grund gleicher Überzeugungen wählen könnten, sagte Schwan in New York.

Schwan will sich für Verständigung zwischen Ost und West einsetzen

Auf einer Pressekonferenz in New York verwies die profilierte Politologin auf ihre Unabhängigkeit von der Parteipolitik. So habe sie auch mit Kritik an der eigenen Partei nie gespart.

Schwan forderte wie Köhler weitere Reformen in Deutschland. Voraussetzung dafür sei allerdings das Vertrauen der Menschen in die Politik, das nur mit Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit gewonnen werden könne. Zugleich wolle sie sich für eine Stärkung des deutschen Bildungssystems und eine weitere Annäherung zwischen Ost- und Westdeutschland einsetzen

Die Entscheidung der Koalition für Schwan war am Donnerstagmorgen bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt gefallen, kurz nach der Einigung zwischen Union und FDP.

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