Nach der Europa-Wahl:Konservative fordern Vorsitz der EU-Kommission

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Die Europäische Volkspartei (EVP) hat 276 der 732 Sitze im Europaparlament errungen und damit die Wahlen für sich entschieden. Nun sind sie sich einig, dass sie den Nachfolger von Romano Prodi stellen wollen - jedoch nicht darüber, wer es sein soll.

Nach ihrem Sieg bei den Wahlen zum EU-Parlament fordern Europas Christdemokraten das Amt des künftigen Präsidenten der Brüsseler Kommission für sich.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der belgische Ex-Premier Wilfried Martens, erklärte am Montag in Brüssel, die EVP wolle sich möglichst schon am Mittwochabend bei einem Gipfeltreffen auf einen Vorschlag einigen. Die EVP hatte bei den Wahlen 276 der 732 Sitze im Europaparlament errungen.

Zweitstärkste politische Kraft wurden die Sozialisten mit 200 Abgeordneten. Die Liberalen erreichten 66 Sitze, die Grünen 42. Die Fraktion der Linksparteien bekam 39 Mandate, 27 die der Nationalisten. 67 Sitze nehmen die "Anderen" ein, zu denen rechtsgerichtete Formationen wie die österreichische FPÖ oder die französische Front National gehören.

Stark schnitten bei der ersten Wahl nach der EU-Erweiterung mit 342 Millionen Wahlberechtigten aus 25 Ländern auch EU-kritische Gruppierungen ab. Die Beteiligung fiel auf den historischen Tiefstand von 45,3 Prozent.

In den zehn neuen Mitgliedsstaaten ging nicht einmal jeder dritte Wahlberechtigte zur Wahl. Der scheidende Präsident des Europaparlaments, Pat Cox, sprach von einer Protestwahl gegen die nationalen Regierungen. Außer in Spanien, Griechenland und Luxemburg hätten die Wähler für die Opposition gestimmt.

Vorbehalte gegen Wolfgang Schüssel

EVP-Chef Martens ließ offen, wen seine Partei als Nachfolger für den Kommissionspräsidenten Romano Prodi nominieren könnte. Der partei-interne Favorit, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, hatte mehrmals erklärt, er stehe nicht zur Verfügung.

Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel, der nach Angaben von Martens "die sehr starke Unterstützung der deutschen und osteuropäischen Christdemokraten" genießt, stößt auf massive Vorbehalte in den Benelux-Staaten sowie in Frankreich.

Geplant ist, dass die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Länder sich während ihres Gipfeltreffens am Donnerstagabend in Brüssel auf einen Nachfolger für Prodi verständigen. Als Favorit galt bisher Belgiens liberaler Premierminister Guy Verhofstadt, dessen Partei jedoch am Sonntag bei den flämischen Regionalwahlen eine schwere Niederlage erlitt.

Auch die Spitzen von CDU und CSU forderten am Montag mehr Macht in der EU-Kommission. Die Konservativen müssten den Präsidenten stellen. Zudem müsse die Union den Deutschland zustehenden Kommissarsposten besetzen, sagten der amtierende EVP-Fraktionschef Hans-Gert Pöttering und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU).

Die Bundesregierung wies beide Forderungen zurück. Regierungssprecher Bela Anda und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) verwiesen im Fall des Kommissars auf das Vorschlagsrecht der Bundesregierung, im Fall des Kommissions-Präsidenten auf die Nominierung durch die Regierungen im Europäischen Rat.

© SZ vom 15.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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