Nach den Drohungen Pekings an Taiwan:China-Politik isoliert Schröder und Chirac

Lesezeit: 2 min

Bundeskanzler Schröder und der französische Präsident Chirac geraten mit ihrer China-Politik zunehmend in die Defensive. Während in Deutschland aus allen Bundestagsfraktionen Widerstand gegen die Aufhebung des EU-Waffenembargos laut wird, bröckelt auch innerhalb der Europäischen Union die Unterstützung für ein Ende des Exportverbotes.

Die britische Regierung, die bislang mit Berlin und Paris auf einer Linie lag, bevorzugt mittlerweile offenbar zumindest eine Verschiebung der Entscheidung, die ursprünglich im Juni dieses Jahres fallen sollte.

Schröder wollte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Dienstagabend am Rande des EU-Gipfels in Brüssel mit dem britischen Premierminister Tony Blair über das weitere Vorgehen beraten.

Zeitungsberichten zufolge bemüht sich die britische Regierung in Konsultationen mit anderen europäischen Hauptstädten um eine Verschiebung der Entscheidung, die nach bisheriger Planung im Juni fallen soll. Der Kanzler ist sich dem Vernehmen nach bewusst, dass auch viele andere EU-Staaten wenig Sympathie für eine Aufhebung des Embargos hegen.

Die Kritiker sehen vor allem in dem jüngst vom nationalen Volkskongress beschlossenen Anti-Sezessions-Gesetz das entscheidende Hindernis für ein Entgegenkommen gegenüber Peking. Mit diesem behält sich die chinesische Regierung das Recht eines militärischen Eingreifens gegen Taiwan vor. Zudem haben sowohl die US-Regierung wie auch der Kongress zuletzt ihren Druck auf die EU erhöht, das Embargo beizubehalten.

Kritik aus allen Fraktionen

Gleichwohl will Schröder nach bisherigem Stand an seiner Position festhalten. Er sieht in der Taiwan-Frage ein nachgeschobenes Argument, das mit dem eigentlichen Grund für die Verhängung des Embargos - dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahre 1989 - nichts zu tun habe. Auch aus Regierungskreisen in Paris hieß es, es gebe keinen Grund für eine Verschiebung.

Die Situation habe sich durch das Anti-Sezessionsgesetz nicht geändert. Den Sicherheitsbedenken der USA werde dadurch Rechnung getragen, dass das Embargo nur schrittweise aufgehoben und ein möglicher Technologietransfer durch andere Regelungen verhindert werde.

Die EU will dazu einen bestehenden "Verhaltenskodex" über Waffenexporte verschärfen. Geplant ist, Lieferungen in Länder, die zuvor einem Embargo unterlagen, in einer mehrjährigen Übergangsphase stärker zu kontrollieren. Auch wollen sich die EU-Staaten gegenseitig über sämtliche Importanfragen aus China genau informieren.

In Deutschland sieht sich Schröder Widerstand aus allen Bundestagsfraktionen ausgesetzt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Volker Rühe (CDU), wertete das Gesetz des chinesischen Volkskongresses als den Versuch, eine Wiedervereinigung mit Taiwan zu erzwingen. Der Süddeutschen Zeitung sagte Rühe: "Damit ist ein Umfeld geschaffen worden, in dem man auf keinen Fall eine Entscheidung für die Aufhebung des Embargos treffen kann."

Auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble sagte, er halte eine Aufhebung des Embargos zum jetzigen Zeitpunkt für falsch. "Ein Alleingang der EU würde in den USA den Eindruck verstärken, die Europäer kümmerten sich nicht um die Sicherheitsinteressen der USA, die mit ihren Kräften in der Region um Stabilität bemüht sind", sagte Schäuble.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, äußerte die Hoffnung, dass jetzt "auch beim Kanzler ein Umdenken einsetzt". Solange Peking das Gesetz nicht aufhebe, "darf auch das Waffenembargo der EU nicht aufgehoben werden".

Der SPD-Außenpolitiker Dietmar Nietan sagte, das Anti-Sezessions-Gesetz und der Widerstand auf US-Seite hätten fraktionsübergreifend zu der Meinung geführt, "dass es keinen Sinn macht, am bisherigen Zeitplan festzuhalten". China könne sich sonst in seiner Politik bestätigt fühlen, während Washington eine Aufhebung des Embargos als neue Belastung für das transatlantische Verhältnis werten würde.

Deutschland und Frankreich droht auf dem EU-Gipfel, der am Dienstagabend begann, eine weitere Auseinandersetzung. Dabei geht es um die Öffnung der europäischen Dienstleistungsmärkte. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso lehnte den Wunsch aus Paris und Berlin ab, das umstrittene Vorhaben völlig zu überarbeiten.

© SZ vom 23.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: