Nach dem Wechsel in der Parteispitze:SPD streitet über Weg aus dem Stimmungstief

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Nach dem überraschenden Wechsel an der SPD-Spitze geht der parteiinterne Streit über den richtigen Reformkurs weiter: Der Chef des NRW-Landesverbandes, Harald Schartau, forderte Nachbesserungen bei den Betriebsrenten. Dagegen erklärte der designierte Parteichef Franz Müntefering: "Da gibt es nichts zu korrigieren. Die Beschlüsse stehen."

Sowohl Kanzler Gerhard Schröder als auch Müntefering bekräftigten, dass der Reformkurs der rot-grünen Bundesregierung unverändert fortgesetzt werden solle. Schröder, der am vergangenen Freitag seinen Rückzug vom Amt des Parteivorsitzenden erklärt hatte, forderte seine Partei zu Geschlossenheit und Disziplin auf.

Er sei sicher, dass die SPD nun die Chance für einen Neuanfang nutzen werde, sagte Schröder. Müntefering betonte, der Kanzler könne sich darauf verlassen, dass ihn die Partei beim Reformprozess unterstütze. Allerdings plädierte der designierte Parteichef dafür, die Reformgeschwindigkeit etwas zu verringern, um mehr Zeit für die Debatte in der Gesellschaft zu haben.

Trotz des Wechsels an der Parteispitze ging der Streit über den Reformkurs weiter. Schartau, der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, mahnte eine Kurskorrektur an. Auf der Vorstandssitzung in Berlin verlangte er, die Verdoppelung des Krankenkassenbeitrags für Betriebsrenten zu verhindern. Bundestagspräsident Thierse forderte in der Berliner Morgenpost Nachbesserungen bei der Gesundheitsreform und bei der Besteuerung von Erbschaften.

Parteilinke fordert Umdenken

Vertreter der Parteilinken verlangten von der Parteispitze ein Umdenken. Deren Wortführerin Andrea Nahles sagte, die SPD müsse ihre Rolle als Partei der sozialen Gerechtigkeit stärker wahrnehmen. Dafür stünden unter anderem Themen wie die Bürgerversicherung und die geplante Ausbildungsabgabe. Ebenso wie Nahles verlangten Juso-Chef Niels Annen und die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer Änderungen am Reformpaket.

Darüber hinaus wurden auch wieder Forderungen nach einer Kabinettsumbildung laut. Der baden-württembergische SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler sagte, der Wechsel in der Führung ändere nichts daran, dass Schröder über einen Austausch von Ministern nachdenken sollte. Mehrere SPD-Spitzenpolitiker sprachen sich dagegen einhellig für eine Unterstützung des Regierungskurses aus.

Die stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ute Vogt und Kurt Beck räumten aber auch ein Vermittlungsproblem ein. Beck sagte, der in der Bevölkerung verbreitete Mangel an Reformbereitschaft müsse die SPD aktivieren: "Es bedarf der intensiven Vermittlung, dass der Wald gesehen wird und nicht der einzelne Baum."

Einstimmiges Votum für Müntefering

Auf der Sondersitzung von SPD-Präsidium und Bundesvorstand in Berlin wurde Müntefering einstimmig zum Nachfolger von Parteichef Schröder nominiert. Die Parteispitze unterstützte außerdem Münteferings Vorschlag, der 56 Jahre alten Berliner Benneter solle neuer SPD-Generalsekretär werden. Beide Politiker sollen auf einem Sonderparteitag am 21.März in Berlin gewählt werden.

Benneter, der als Vertrauter des Kanzlers gilt, soll den glücklosen Parteimanager Olaf Scholz ablösen. Müntefering hob die große Parteierfahrung seines designierten Generalsekretärs hervor. Zwar sei Benneter vielen in der Parteispitze kaum bekannt. "Die werden den kennen lernen und er wird das gut machen", sagte Müntefering.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel forderte ebenso wie CSU-Chef Edmund Stoiber sofortige Neuwahlen. Der Welt am Sonntag sagte Merkel: "Wer schon die eigenen Anhänger nicht von seiner Politik überzeugen kann, der kann erst recht nicht die Menschen in Deutschland auf den notwendigen Reformweg mitnehmen."

© SZ vom 9.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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