Nach dem Wahldebakel:SPD sucht nach Orientierung

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In der SPD herrscht große Verwirrung, ob sie Reform-Kurs halten oder doch wieder nach links steuern soll. Wie immer in solchen Situationen, gießt Querkopf Oskar Lafontaine Öl ins Feuer.

Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Ottmar Schreiner, forderte in der Bild: "Die Wahlniederlagen zeigen, dass es zu einem Kurswechsel keine Alternative gibt", sagte Schreiner.

Nur so könne die SPD "ihr soziales Profil zurückgewinnen." Als Beispiele für einen Kurswechsel nannte Schreiner die Rücknahme der Hartz-Reformen und die Gesundheitspolitik.

Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat nach den schweren Wahlniederlagen seiner Partei die Agenda 2010 als einen "Riesenfehler" bezeichnet. "Merkel und Westerwelle könnten so etwas vielleicht machen, ein SPD-Kanzler nur um den Preis erheblicher Verluste bei Mitgliedern und Wählern", sagte Lafontaine der Bild.

"Wenn die SPD weiter stillhält, dann werden noch viele Mandate verloren gehen." Die Reformpolitik einer sozialdemokratischen Partei dürfe sich nicht an den Interessen der Unternehmer-Verbände orientieren.

Lafontaine sprach sich für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und den Verzicht auf eine Senkung des Spitzensteuersatzes aus.

Steinbrück: SPD in tiefster Vertrauenskrise seit 1949

"Eine sozialdemokratische Volkspartei muss vor allem Arbeitnehmer und Rentner hinter sich bringen. Das gelingt der SPD derzeit nicht", sagte Lafontaine.

Für ein Festhalten am Reformkurs sprachen sich dagegen die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, Peer Steinbrück und Matthias Platzeck, aus. Nach Ansicht Steinbrücks durchlebt die SPD gleichwohl "die größte Vertrauenskrise seit Gründung der Republik", wie der Politiker am Montagabend in der ARD sagte.

Die SPD habe bereits in den 90er Jahren eine Antwort auf die Frage versäumt, wie ein "sozialdemokratisches Sozialstaatsmodell im 21. Jahrhundert" aussieht, so Steinbrück weiter.

Er bestritt zugleich, dass die Reformen der Bundesregierung an den jüngsten Wahlschlappen der SPD schuld seien; dies zeige der Erfolg der Grünen. Steinbrück forderte, am Reformkurs festzuhalten.

Vor einem Ende der Reformen warnte auch Platzeck. "Das schlechte Wahlergebnis rechtfertigt keinesfalls einen Reformstopp", sagte der brandenburgische Regierungschef. "Man muss in der Politik, wenn man langfristig gestalten will, einiges aushalten. Dazu gehören auch schlechte Wahlergebnisse".

Maas gegen neue Personaldiskussion

Führende SPD-Politiker haben Forderungen nach einer Kabinettsumbildung im Zuge der Wahlniederlagen zurückgewiesen und vor übereilten Entscheidungen gewarnt. SPD-Vizefraktionschef Gernot Erler sagte den Stuttgarter Nachrichten: "Es gibt keinen einzelnen Schuldigen."

Zu den Unterstützern einer Kabinettsumbildung gehören laut einem Bericht des Handelsblatts die SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels und Michael Roth. Niedersachsens SPD-Chef Wolfgang Jüttner sagte der Welt , alle möglichen Maßnahmen seien zu prüfen, auch eine Kabinettsumbildung.

Gegen eine Personaldiskussion wandte sich der saarländische SPD-Chef Heiko Maas. Im ARD-Morgenmagazin forderte er am Dienstag aber eine entschlossenere Vertretung sozialer Aspekte bei der Reformpolitik.

Zu personellen Veränderungen sagte Maas: "Selbst wenn man das täte, gäbe es lediglich kurzfristige Effekte, die Probleme bleiben die gleichen." Die SPD müsse sich darauf konzentrieren, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl an der Saar im September setzt dabei vor allem auf die Einführung einer Bürgerversicherung bei der Krankenversorgung. "Die ist die solidarische Alternative gegenüber einer Kopfprämie der CDU. Da gibt es klare Unterschiede zwischen den Parteien", sagte Maas. "Wenn wir uns daran machen, dann wird sich auch die Sozialdemokratie besser profilieren können."

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