Nach dem "Nein" des Bundesrats:Grübeln beim Gänsebraten

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Trotz der Ablehnung im Bundesrat kann die Union nicht dauerhaft Nein zur Steuerreform sagen.

Von Susanne Höll

(SZ vom 8. November 2003) Mit einigem Getöse und scheinbar ganz einträchtig hat die Union im Bundesrat die Arbeitsmarkt- und Steuerpläne der Bundesregierung samt und sonders abgelehnt und ein Vermittlungsverfahren beantragt.

Daraus freilich sollte man nicht schließen, dass in CDU und CSU tatsächlich Eintracht herrscht. Genauso wenig sollte man glauben, dass die Opposition die vorgezogene Steuerreform letztlich verhindern wird. Das Gegenteil ist der Fall. So, wie es jetzt ausschaut, werden die Bürger vom 1. Januar an deutlich weniger Einkommensteuer zahlen als bislang vorgesehen. Denn es ist wohl davon auszugehen, dass sich Regierung und Opposition, Bund und Länder noch auf größere Sparanstrengungen verständigen werden.

Lichtstrahl im Reformherbst verwehrt

Die Union kann nicht mehr Nein sagen - aus mehreren Gründen. Der wichtigste ist: Die Bürger würden dann nicht der Bundesregierung, sondern CDU und CSU die Schuld dafür geben, dass sie inzwischen an allen Ecken und Enden mehr zahlen müssen, ihnen diese Steuerentlastung - der einzige Lichtstrahl im düsteren Reformherbst - jedoch verwehrt wird.

Wer als Politiker eine solche Botschaft verkünden will, muss sehr gute Gründe anführen können, besonders kurz vor Weihnachten. Bei Karpfen und Gänsebraten würden die Deutschen dann nicht über den Kanzler schimpfen, jedenfalls nicht nur. Sie würden grübeln, wie viel Euro mehr sie anderenfalls im Portemonnaie hätten, und klagen, dass nichts vorangehe im Land.

Nun gehört populistische Volksbeglückung nicht zu den Pflichten von Regierung und Opposition. Zu den Pflichten einer Opposition gehören allerdings klare Konzepte in zentralen politischen Fragen, jedenfalls wenn man den Anspruch erhebt, die bessere Regierungspartei zu sein.

Die Steuerideen der Union sind aber alles andere als klar. Die einen wollen eine vorgezogene Steuerreform, die anderen nicht. Zugleich wird ein Vorschlag für einen drastischen und weitaus kostspieligeren Umbau des Steuersystems präsentiert, den sie, bekäme sie Gelegenheit dazu, vielleicht irgendwann umsetzen würde, vielleicht aber auch nicht.

Streit um Pendlerpauschale und Eigenheimzulage

Die schwarze Führungsmannschaft ist nicht einmal einig, ob Pendlerpauschale und Eigenheimzulage zu Gunsten niedrigerer Steuern überhaupt, bald oder später gesenkt oder gestrichen werden können. Die Steuerfrage zeigt, dass die Interessenkonflikte in der Union kaum geringer sind als jene in der SPD, die CDU und CSU so gerne anprangern.

Aber, wie gesagt, sie wird wohl kommen, die vorgezogene Steuerreform. Und dann wird man fragen, wer sich durchgesetzt hat in diesem Unionszwist. Es wären die Parteichefs und potenziellen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber und Angela Merkel, jedenfalls dann, wenn die Union im Dezember geschlossen für einen Kompromiss stimmt.

Anderenfalls stellt sich erneut die Frage nach der Führungsfähigkeit der beiden. Denn kein Mensch würde verstehen, warum das arme Thüringen eine vorgezogene Steuerreform als patriotische Pflicht ansieht, das deutlich wohlhabendere Hessen sie aber für Teufelszeug hält.

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