Nach dem EU-Flüchtlingsgipfel:SPD lobt Merkel, Union reagiert kühl

Lesezeit: 2 min

Seehofer warnt vor zu großen Zugeständnissen an die Türkei. Die SPD spricht von Erfolg. Slowenien und Serbien schließen Westbalkanroute.

Führende Vertreter der Koalitionsparteien haben das Ergebnis des EU-Gipfels zur Flüchtlingspolitik unterschiedlich bewertet. Dabei fiel die SPD durch mehr Begeisterung für die Bemühungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, den Flüchtlingsstrom durch Vereinbarungen mit der Türkei zu steuern. Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: "Alle, die für Deutschland eine nationale Lösung und Grenzzäune wollten, sind jetzt widerlegt." Eine europäische Lösung mit der Türkei sei in Sichtweite. "Das ist ein ganz großer Erfolg." Auch Parteichef Sigmar Gabriel sprach von einem Schritt in Richtung einer europäischen Lösung.

CSU-Chef Horst Seehofer sieht die Gespräche zwischen EU und Türkei dagegen äußerst kritisch. "Es muss klar sein: Leistung und Gegenleistung müssen übereinstimmen." Er habe "größte Bedenken", sagte Seehofer mit Blick auf Forderungen der Türkei; er sehe noch "viel, viel Beratungsbedarf". Allerdings müsse man fair miteinander umgehen, deshalb wolle er die Schritte nicht abschließend bewerten.

In der CDU sprach die Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, von einem "Schritt in die richtige Richtung". Der CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Guido Wolf, warnte allerdings davor, den Gipfel-Beschluss überzubewerten. "Ich glaube, ihn als Durchbruch zu bezeichnen, wäre etwas zu viel Pathos", sagte er. Merkel selbst hatte dagegen zuvor den Gipfel so bilanziert: "Viele waren sich einig, dass das ein Durchbruch ist." Die Staats- und Regierungschefs der EU waren am Montag von einem neuen Angebot aus Ankara überrascht worden. Etliche Staaten vermuteten Merkel hinter dem Vorstoß und reagierten verärgert. "Das war brutal", sagte ein EU-Diplomat. Merkel sei es nur um sich und ihre Partei gegangen.

In der Gipfelerklärung wurde das türkische Angebot zwar begrüßt, eine Entscheidung aber bis zum 17. März vertagt. Ankara bietet die Rücknahme aller in Griechenland ankommenden Flüchtlinge an, die aus der Türkei übergesetzt sind. Im Gegenzug fordert sie die Aufhebung der Visumspflicht für Türken von Juni an, die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen und eine Verdoppelung der EU-Finanzhilfe für Flüchtlinge auf sechs Milliarden Euro im Jahr 2018. Eine Hürde stellt besonders die Visa-Liberalisierung dar. Damit dies ab Juni möglich sei, müssten Bedingungen erfüllt werden - "und es gibt 72 Kriterien", sagte der französische Präsident François Hollande. "Das ist ein sehr ambitionierter Zeitplan", mahnte auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Das Parlament werde "unter Wahrung seiner demokratischen Rechte sicherlich sein Bestmögliches geben, um diesen Prozess zu beschleunigen". Die Türkei müsse zuvor aber wichtige Reformen umsetzen.

Auf dem Balkan werden derweil Fakten geschaffen: Slowenien wollte von Mitternacht an nur noch Migranten einreisen lassen, die gültige Visa und Pässe besitzen. Serbien kündigte an, dem Beispielen Sloweniens und auch Kroatiens zu folgen und ebenfalls die neue Regelung an seiner Grenze zu Mazedonien und Bulgarien einzuführen. "Damit wird die Balkanroute praktisch geschlossen", teilte das serbische Innenministerium mit.

© SZ vom 09.03.2016 / dbr, nif, höl, wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: